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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1887 / 1)

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Unbefangenen mag es wohl erscheinen, als oh mit den xVorachlägenc nicht viel 
des Neuen geboten wäre. Dem Eingeweihten jedoch kann es nicht fremd sein, dass 
es bei der Förderung kunstgewerblicher Thätigkeit heute nicht mehr auf die Einfüh- 
rung neuer Mittel, sondern einzig und allein auf die Wahrung des richtigen Stand- 
punktes ankommt. Diesen aber scharf zu kennzeichnen, ist durch die vorliegende 
Brochure gelungen. Nur durch das unveränderte Festhalten dieses Standpunktes wird 
dem Kunsthandwerker die Möglichkeit geboten, den Gefahren eines Wettbewerbes mit 
der Maschine auszuweichen. Freilich bedarf es dazu keines geringen Maßes von Kraft 
und Ausdauer sowohl, als auch von wahrer Bildung. Darauf hinweisend, schließen auch 
die Ausführungen des Verfassers mit einer ernsten Mahnung: sWer dazu nicht die Kraft 
in sich fühlt, oder wer durch Erfahrung belehrt wird, dass ihm der Sinn für Form und 
ihre reinlichste Ausgestaltung nicht gegeben ist, der lasse seine Hand vom Kunstgewerbe. 
Wohl ist dies allein im Stande, den goldenen Boden des l-landwerkes zu retten; aber 
das Gold wird heute nirgends mehr auf der Oberfläche gefunden: es will mit aus- 
dauernder Arbeit und emsigern Bemühen ergraben seinß M-t. 
it 
Internationale chalkographische Gesellschaft. t. Jahrespublication. London, 
Thibaudeau; Paris, Danlos fils 8c Delisle; Berlin, Amsler u. Ruthardt, 
1886. Fol. u. gr. F01. 
im Herbste 1884 wurde ein Aufruf zur Bildung einer internationalen chalkogra- 
phischen Gesellschaft versendet, unterzeichnet mit Namen besten Klanges bei Allen, 
welche sich für die graphischen Künste interessiren. Die Absicht der neuen Gesellschaft 
ist grundverschieden von jener, welche schon zu wiederholten Malen ähnliche Vereini- 
gungen in's Leben rief. Letztere hatten zumeist bezweckt, den modernen, zeitgenössischen 
Kupferstich zu pdegen und zu fördern, wohl auch durch Reproduction berühmter Bilder 
den weiteren Kreisen einen besseren Zimmerschtnuck zu schaffen, als ihn schlechte 
Bilder liefern. Diesmal gilt es aber dem besonderen Zwecke einer kleinen Zahl von 
Fachgenossen und die Tendenz der neuen Gesellschaft ist eigentlich eine streng wissen- 
schaftliche. Trotz Bartsch, Heller, Passavant und einer stattlichen Reihe von Detail- 
forschern der verschiedenen Nationen liegt noch manche Partie der Geschichte der gra- 
phischen Künste sehr im Argen, weil eine gründliche Uebersicht über die lncunabeln 
dieser Kunstzweige wegen ihrer absoluten Seltenheit und Getrenntheit auf weite Di- 
stanzen in öffentlichen und in Privatsammlungen mit den größten Schwierigkeiten ver- 
bunden ist. Dass das Programm der internationalen Gesellschaft, diese Schwierigkeiten 
durch Repmduction solcher kostbaren Blatter zu beheben, das Richtige traf, dafür zeugt 
die volle Zahl (gegen 300) der Subscribenten, welche sich in kurzer Zeit zur Garan- 
tirung des Unternehmens zusammenfanden. Die für das Jahr t886 ausgegebenen 22 
Blätter der Gesellschaftspublication werden gewiss noch ein Weiteres thun, neue Be- 
werber um dieselben herbeizurufen, denn gediegene Auswahl wahrhafter Perlen des 
alten Kupferstiches, trefflich: Ausführung der Reproductinnen und geringer Preis (Mk. 40) 
wirken zusammen, um den Mannern, welche in Berlin, London und Paris an der Spitze 
des Unternehmens stehen, für ihre Mühe und Sachkenntniss die Anerkennung aller 
Fachkreise zu sichern. Oellentliche und Privatsammlungen von Berlin, Gotha, Hamburg, 
London, München und Paris mussten bebufs Reproduction dieser seltenen oder geradezu 
als Unica geltenden Blätter angegangen werden, und dies allein gibt schon eine An- 
deutung der Schwierigkeiten, welche bei der Publication zu bewältigen waren. 
Die Mehrzahl der vorgelegten Blatter gehört der italienischen Stecherschule vom 
Ende des 15. Jahrhunderts an und da sei die vollstandige und gleichmäßig schone 
Suite der Sibyllen, angeblich von Baccio Baldini (Nr. 3), aus der Sammlung des 
Herrn John Malcolm of Poltalloch in London an erster Stelle genannt. Aber wer wollte 
desselben Meisters ornamentale Composition (Nr. 2) oder das große Blatt: Christus vor 
Pilatus (Nr. 4) geringer achten, oder den Tod des Orpheus von einem Anonytnus (Nr. 5), 
oder etwa das außerordentlich gut wiedergegebene Blatt Mocetto's: Thronende Madonna 
mit Heiligen (Nr. 7)? Und die Vertreter der deutschen Schule stehen nach lnhalt und 
Ausführung den genannten Blättern nicht im Geringsten nach. Die Studien zu Adam und 
Eva (Nr. to) aus der Btbliotheque nationale in Paris werden als ein Unicum angesehen, 
von dem Plattenzustande von Dürer's Hercules (Nr. t!) kennt man nur ein zweites 
Exemplar und inhaltlich überragt das niederdeutsche Blatt: vSchach dem König- (Nr. 9) 
aus der Sammlung von Baron Edm. Rothschild in Paris alle anderen. 
So konnte man eigentlich alle Blätter als besonders werthvoll in einer oder der 
anderen Richtung aufführen, aber nur zwei seien noch namhaft gemacht, weil dieselben 
so recht dem Zwecke der neuen Gesellschaft entsprechen: Das Blatt Nr. t, der Kampf 
um die Mlunerhose von einem Italiener des Quattrocento, und die Uebersetzung des- 
selben Blattes nach Costume und Temperament des Kampfes in's Deutsche, wahrschein-
	        
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