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Vortreffliche Eignung zu kunstgewerblicher Production böte die
Leinenindustrie, wenn sie im Reichenberger Kammerbezirke überhaupt
noch lebensfähig wäre. Im vorigen Jahrhunderte eine der blühendsten
Industrien, erscheint sie bereits um die Mitte unseres Jahrhunderts im
Wesentlichen nur auf den Grenzort Georgswalde beschränkt, wo sie sich
auch bis auf den heutigen Tag erhalten hat. In jüngster Zeit wurde
behufs Rettung die Parole: lrunstgewerbliche Production ausgegeben;
zur Beförderung dieses Zweckes wurden die Schulcurse zu Schluckenau
und Georgswalde errichtet. Auch haben namentlich die Brüder Holfeld
in Georgswalde anerkennenswerthe Versuche in der Damastweberei ange-
stellt. Die Hauptschwierigkeit liegt aber nicht in der geringen Leistungs-
fähigkeit, sondern in den Lohnverhältnissen. Die Löhne, um welche etwa
die Freudenthaler Damastleinen hergestellt werden, sind so gering, dass
der Arbeiter im nordböhmischen Niederlande nicht davon leben könnte.
So lange aber diese Verhältnisse aufrecht bleiben, kann die nordböhmische
Leinwand der schlesischen keine ernstliche Concurrenz machen und sind
alle Versuche, durch Schulen die kunstgewerbliche Production dieses
Industriezweiges zu heben, vorläufig praktisch aussichtslos.
Angelegenheiten des Oesterr. Museums und der mit
demselben verbundenen Institute.
(Auszeichnung) Se. k. und k. Apostolische Majestät haben mit
Allerhöchster Entschließung vom 18. März d. J. dem Ofiicial des Oesterr.
Museums für Kunst und Industrie in, Wien, Wilhelm Dobrafsky, das
goldene Verdienstkreuz mit der Krone allergnädigst zu verleihen geruht.
- Se. kaiserl. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Carl
Ludwig und Ihre durchl. Frau Erzherzogin Margaretha haben am 24.
und Ihre Majestät die Königin Elisabeth von Rumänien am 29. v. M.
die Ausstellung für kirchliche Kunst mit einem längeren Besuche beehrt.
(Besuch des Museums.) Die Sammlungen des Museums wurden im Monate
Mai-z von 11.382, die Bibliothek von 1.319 Personen besucht.
(Vorlesungen) Am 27. Jänner sprach Director Dr. A. llg über den österrei-
chischen Bildhauer Georg Rafael Donner (1693-1741).
Der Vortrag war von demselben Gesichtspunkte gehalten, wie derjenige über Daniel
Gran, indem auch hier der Sprechende nur vorläufige Forschungsergebnisse vorführen
wollte, die seinerzeit in einer erschopfenden Monographie eingehend verolfentlicht werden
sollen. Während Alles, was bisher über den größten Plastiker jener Zeit gesagt und
geschrieben worden ist, immer nur auf das Büchlein von Schlager zurückging, welches
die einzige Behandlung des Gegenstandes auf einigermaQen quellenmäßiger Basis ist,
zeigte Ilg einerseits, dass Schlager unvollständig und unzuverlässig arbeitete, andererseits
schöpfte er selbst aus einer großen Reihe völlig neuer Quellen, wodurch das Lebensbild
des Meisters ein viel weiteres, vielfach auch ein ganz anderes geworden, als es in den
bisherigen Biographien erscheint. Da auch wir hier der späteren Vorölfentlichung dieser
reichhaltigen Studien nicht vergreifen wollen, beschränken wir uns darauf, auf die haupt-
sachlichsten Punkte aus der Geschichte des berühmten Künstlers hinzuweisen, welche
durch die Minheilungen des Vortrages zum ersten Male und in ganz neuem Lichte dar-
gestellt wurden. Hieher gehört der erste Lehrherr und Gönner Donner's, der kaiserl.