329
Abschnitt über den verschiedenen geistigen Gehalt byzantinischer und westlandischer
Darstellungsweise, z. B. des am Kreuze hängenden Christus und seiner Umgebung an;
sehr instructiv ist auch, was Linas über das Vorurtheil sagt, als sei die byzantinische
eine ganz leblose Kunst gewesen.
Die anderen zwei Werke befassen sich mit Limosiner Emailarbeiten, und zwar
zunächst mit denen, die in der nach Petersburg gewanderten Sammlung Basilewslty
sich beünden, ein kurz gehaltener musterhafter Katalog; dann das Emailtriptychon des
Schatzes von Chartres, das noch über die Stürme der Revolution hinaus sich erhalten
hat. Besonders fasst Linas die etwas barbarische Restauration des Reliquiars, 1813, die
deutlich daran erkennbare, in Limogcs gebräuchliche Theilung der Arbeit und die
ursprüngliche Bestimmung als Altar-Retable in's Auge. -- Das dritte Werk behandelt
ausführlicher, als es im ersten Sammelwerke geschehen, das Stationsltreuz des Diözesan-
Museums von Liege, vergleicht eingehender das deutsche und limosiner Email und gibt
klar die Unterschiede zwischen beiden an. Hier mochte ich einen kleinen Zweifel darüber
erheben, dass Deutschland im Mittelalter durch die Donau mit den Griechen verbunden
gewesen sei (pag. 24). Ich glaube vielmehr, dass diese Wasserstraße im Mittelalter
noch unbedeutender war als jetzt, so dass z, B. gerade Wien, wo doch noch eine byzan-
tinische Prinzessin Gattin eines mächtigen Babenberger Fürsten war, gar nicht so starken
Einßuss der byzantinischen Kunst erfahren hat, trotz den nGraeciu von Hernals, -_ Ich
halte für Deutschland die Verbindung mit der Adria immer für die wichtigere, ich meine
die mit Venedig. Dass Limoges dagegen starker mit Alexandrien in Verbindung stand,
dass also mehr orientalische Motive sich in den limosiner Schmelzarbeiten herausfinden
lassen, gebe ich zu. Für Linas war es wichtig, die Unabhängigkeit der limosiner Kunst
gegenüber der deutschen auf diesem Wege nachzuweisen. Selbst wenn man Linas in
diesem Stücke nur theilweise Recht geben wollte, bleiben seine Untersuchungen von so
hohem Werthe, dass das eingehendste Studium der von uns angezeigten Werke Jedem
empfohlen werden muss, der sich mit mittelalterlicher Kleinkunst beschäftigt.
Nnn.
Ili
Les plaquettes. Par Ernile Molinier. (Bibliotheque internationale de
l'art sous la direction de M. Eugene Mlintz; les bronzes de la renais-
sance.) Paris, Rouam, 1886. 8". 2 Bde. t. Bd. XL u. 215 5.; z. Bd.
23g S. mit zahlreichen Illustrationen.
Das Oesterr. Museum besitzt eine bemerkenswerthe Sammlung von kleinen Bronze-
reliefs, Plaquettes genannt, die eine reiche Fülle von Anregung für unsere Ciseleure und
Medailleure enthält. Eine Plaquette ist nicht an den kreisrunden Contour gebunden, wie
die Medaille, und erlaubt daher der Composition viel freiere Entfaltung. Gar manches
Porträt, manche Gruppe sieht in rectangulärer oder in ovaler Umrahmung ungleich
eleganter aus als in der conventionellen Rundung. Die modernsten Franzosen haben sich
diese Beobachtung, die sie an den Plaquettes der Renaissance und an denen späterer
Kunstperioden gemacht haben, in ausgedehnter Weise zu Nutze gemacht, wie man das
u. A. auch im nSalon- 1886 sehen konnte. Neben den herrlichen Medaillen von J. C.
Chaplin konnte man dort L. O. Katy's Plaquetten zu dem Besten rechnen, das überhaupt
ausgestellt war. In Roty's Arbeiten spiegelte sich recht deutlich die gegenwärtig in Paris
so lebhaft cultivirte Beschäftigung mit den kleinen Btonzereliefs hauptsächlich der
italienischen Renaissance ab. Die Sammler Dreyfuß, Piot, Spitzer, der gelehrte Courajod
und nicht an letzter Stelle der Louvre selbst fahnden mit Eifer und Geschick nach
diesen kleinen Denkmälern feinen Geschmackes, mit denen sich auch das wissen-
schaftliche Werk beschäftigt, welches wir zu besprechen haben und das hiemit allen
Freunden der Plastik im Kleinen mitWarme empfohlen sei. Molinier hat darin zusammen-
gestellt und beschrieben, was ihm nur immer erreichbar war. Und gewiss hat er auch
eine anerltennenswerthe Vollständigkeit erreicht, wenngleich ihm manche Stücke und
manche Varianten entgehen mussten. die eben in diesen oder jenen Sammlungen versteckt
und unbeschrieben sind. in Moliniefs Buch kommt eine in jeder Beziehung sehr achtens-
werthe Meisterschaft zum Ausdrucke. Gegen manche Zuschreibungen wird sich Wider-
spruch erheben, wie gegen die von Nr. 233, i-Triomphe d'un ht-Srosa, welche Plaquette
Molinier dem Andrea Briosco gibt, der doch in seinen bezeichneten Arbeiten stets viel
herber ist und die Formen nicht so weich und fein tlurchbildet, als wir es auf dem
erwähnten nTriomphe d'un herosu bemerken müssen. Viele andere Zuschreibungen
legen dafür wieder von sicherer Kennerschaft Zeugniss ab und dürften sich bleibend
halten. - Konnte dem Texte eine weitgehende Anerkennung gezollt werden, so müssen
dagegen die Illustrationen mit Ausnahme des Titelbildes als etwas undeutlich bezeichnet
werden. Das allerdings sehr billige Verfahren phototypischer Reproduction mit einge-