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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1887 / 4)

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Und noch weit über die Karolinger-Zeiten hinaus blieben antike Vor- 
bilder für den christlichen Kelch maßgebend: so dürfte dem einem jetzigen 
tiefen Bierglase nicht unähnlichen Kelche von Chelles"), einem Werke 
des hl. Goldschmiedes Bischof Eligius ("j 659) ein antikes Trinkglas aus 
Pompei entgegengehalten werden. Wichtig sind die beiden kleinen Gold- 
kelche aus dem Funde von Nagy-Szt. Miklos (sog. Attila-Schatz), weil sie, 
wahrscheinlich vom Ufer des Schwarzen Meeres mitgebracht, eine eigen- 
thümliche Technik zeigen (jeder Kelch besteht aus fünf Theilen; Fuß, 
sechseckiger Ständerröhre, achttheiligem doppelten Nodus und der Cuppa, 
welche einfach ineinandergesteckt und, wo sich die Stücke berühren, durch 
äußerst festes Falzen der Ränder festgehalten werden, ohne innere Eisen- 
stütze, auch ohne alle Löthung), und trotz alledem von einem niederen 
romanischen Kelche fast in nichts sich unterscheiden. Auch dieses also 
sind antike Formen, und der Kelch vom Titusbogen hat auch ein 
griechisches Vorbild. 
Von den freien Formen dürften jene unterschieden werden, welche 
durch das oft angewendete edle Steinmaterial bedingt waren: das gilt 
namentlich von den abweichenden Kelchformen der edlen Gefäße des 
Schatzes von S. Marco in Venedig, die ihre Analogie in den uns leider 
zu wenig bekannten russischen Schatzkammern haben sollen; dies gilt von 
dem Onyxgefäße des Prager Domschatzes, welches Karl lV. fassen ließ, 
und dessen Form ganz bestimmte Forderungen an den Goldschmied 
machte; dasselbe gilt für die sogenannten Hedwigsbecher, besprochen im 
"Anz. d. Germ. Museums 18771., S. 229. 
Fassen wir alles, was über die Form des Kelches der alten christ- 
lichen Kirche zu sagen ist, kurz zusammen, so lautet das Resume: Die 
Form des altchristlichen Kelches hängt mit den localen Kirchenverhält- 
nissen so zusammen, dass die antiken Trinkgeschirre oder deren Formen 
maßgebend waren; im Ganzen unterschieden sich die kleinen Kelche für 
den Gebrauch des die hl. Messe celebrirenden von den großen Kelchen, 
calices ministeriales, aus welchen an die Gemeinde der consecrirte Wein 
wohl mittelst Löffelchen dargereicht wurde, schon dadurch, dass die 
größeren Kelche der leichteren Beweglichkeit wegen mit Henkeln ver- 
sehen waren. 
So wenig wie über die Form, hat die alte Kirche in den ersten sieben 
Jahrhunderten (wenigstens in historisch sicherstehenden Verfügungen) sich 
über das Materiale ausgesprochen. Das richtete sich nach der Leistungs- 
fähigkeit der Kirchen und der Opferfähigkeit der Geschenkgeber. lmmer 
freilich war das Streben da, das zur Kunst hinüberleitet, für den Gottes- 
dienst etwas Außergewöhnliches, Außerordentliches herzustellen; ja es 
dürfte auch nicht zu gewagt sein, die jetzt durch das Kirchenrecht ge- 
') Kraus, Realencyklop. s. v. Kelch. - Revue arch. Vll, zl. De Linas, chässe de 
Gunel pl. I (pag. I9 sq.).
	        
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