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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1887 / 7)

Trotz des ziemlich reichen Vergleichungsmateriales ist an diesen 
gravirten Schüsseln noch Vieles unklar; so die Frage nach ihrem Stamm- 
baume und nach ihrer ehemaligen Verwendung. Haben sie liturgischem 
Gebrauche gedient, z. B. bei Taufen? Hat man sie zum Absammeln des 
Almosens in der Kirche verwendet? Waren sie vielleicht im Hause benützt 
worden? Einstweilen liegen keine sicheren Anhaltspunkte für eine Ent- 
scheidung vor. Was man indess von den Funden in Gent und in Pöddes 
weiß, würde dafür sprechen, dass die Schüsseln mit den Bildern von 
Tugenden und Lastern dem Hausgebrauche gedient haben'). Die be- 
schriebene Schüssel von Pöddes wurde nämlich, wie es heißt, mit noch 
drei ähnlichen Schüsseln und mit einer größeren Anzahl von Bronze- 
tellern zusammen gefunden. Auch zu Gent sind die vier Schüsseln mit 
dem Fragmente einer fünften nahe bei einander vorgefunden worden. 
Alle diese Funde, besonders aber der von Pöddes, legen den Gedanken 
nahe, dass es sich hier um mittelalterliche Service aus Bronze handelt, 
die etwa bei festlichen Gelegenheiten") oder wohl auch beim täglichen 
Mahle gedient haben. Dass man eine größere Schüssel und eine ganze 
Reihe von Tellern sollte in einer Kirche zu liturgischen Zwecken benützt 
haben, lässt sich mit unseren Begriffen vom mittelalterlichen Gottesdienste 
nicht vereinigen. 
Ziemlich wahrscheinlich vom liturgischen Gebrauche ausgeschlossen 
war wohl auch die Statiusschüssel in Paris wegen ihrer heidnischen Dar- 
stellungen. Allerdings muss die Möglichkeit erwogen werden, dass man 
sie gerade wegen ihrer absonderlichen Bilder, die wohl nicht allgemein 
' verständlich waren, einem kirchlichen Gebrauche zugeführt hatte. Für 
diesen ist sie aber von vorn herein gewiss nicht bestimmt gewesen. Bei 
der Wiener Schüssel mit den Samsonbildern ist der liturgische Gebrauch 
gleichfalls nicht ganz sicher. Bethune "') nimmt in dieser Beziehung an der 
Darstellung des Samson alsides jüdischen Nationalhelden Anstand. lndess 
ist es immerhin möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass die Samsonbilder 
im Rande durch eine specifisch christliche Darstellung in dem jetzt gänz- 
lich verriebenen Mittelfelde jene typologische Bedeutung erhielten, die 
ihnen so häufig auf mittelalterlichen Kunstwerken zukommt. Bei den 
Schüsseln in Trier, Aachen und Xanten ließe sich wohl ungezwungen 
an einen Gebrauch in der Kirche denken. 
Zweck dieser Zeilen aber ist es nicht, die ursprüngliche Bestimmung 
der gravirten Bronzeschüsseln festzustellen, sondern hauptsächlich der, 
unter Hinweis auf das bisher zugängliche Vergleichsmaterial zu weiteren 
Forschungen anzuregen. Einige Gedanken über die Entwickelungsgeschichte 
') Schon Römer hat diese Ansicht vertreten. 
") Darauf würden die Spuren von Vergoldung deuten, die an der Schüssel von 
Stade gefunden worden sind. 
m") Vergl. den Sonderabzug seines oben cilirten Artikels in der nRevue de l'art 
chretienu. 
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