Die deutschen Kleinrneister des 16. Jahrhunderts.
Von Eduard Chme In rz.
(Fortsetzung)
Sie können, hochverehrte Anwesende, daraus bereits entnehmen,
wohin ich ziele. Mir widerstrebt die althergebrachte Benennung der Klein-
meister, hergeleitet von dem zumeist kleinen Formate ihrer Blätter eben-
sosehr, als es ungerechtfertigt ist, diesen Namen auf die Nürnberger
Künstlergruppe, welche mehr oder weniger Dürefschen Einfluss zeigt, zu
beschränken oder vollends, wie es neuestens geschehen ist, die Blüthezeit
der sogenannten Kleinmeister auf die kurze Spanne zweier Jahrzehnte,
von 1520-1540 zu reduciren. Dass die große Zahl von Meistern, welche
ich vorhin genannt habe, nicht in dem Folioformate der Rubens'schen
Stecherschule arbeitete, liegt in der Natur der Sache begründet. Hatte
die Mehrzahl von ihnen das bewusste oder unbewusste Streben, die Er-
rungenschaften der italienischen Renaissance in Durchbildung der schönen
Form auf Grundlage des Studiums der Antike auch für die deutsche
Kunst zu verwerthen, so waren sie unter dem Zwange der heimischen
Verhältnisse überhaupt auf den Kupferstich und den Holzschnitt ange-
wiesen. Man vergegenwärtige sich die großräumige italienische Architektur,
die Kunstpüege der Medicäer, der Päpste, der Signoria von Venedig, der
Fürsten von Mantua, Ferrara, Bologna und Urbino u. s. w., die poten-
zirte Oelfentlichkeit der italienischen Kunst - und man denke als Gegen-
stück an die engen Schranken, welche der monumentalen Kunstübung
diesseits der Alpen durch die Unstetigkeit der kaiserlichen Residenz, die
Armuth und Verrohung des Adels und die geringe Zahl wohlhabender
Communen gezogen waren, und man wird es verstehen, dass gerade im
Holzschnitt und im Kupferstich das Schwergewicht der deutschen Kunst
jener Tage zu suchen ist. Da es speciell den Malern versagt war, in
großen Freskencyklen ihrem Schalfensdrange und Talente Luft zu schaffen,
so ergriffen sie mit einer Art von Begierde die graphischen Künste, um
auf minder kostspieligen, leichter transportablen und für das große
Publicum leichter käuflichen Blättern jener Fülle von Gedanken zum
Ausdrucke zu verhelfen, welche in jener Zeit der Entdeckungen auf allen
Gebieten des Lebens sozusagen in der Luft schwirrten und der Fixirung
in Wort und Bild harrten. Ein tretfender Gedanke braucht nicht immer
vieler Worte, ein gutes Bild nicht immer viele Meter Wandliäche oder
Leinwand; darum die kleinen Formate der sogenannten Kleinmeister
einerseits und andererseits mochten vielleicht die didaktischen Ten-
denzen nach Nutzbarmachung des eigenen Erlernten, nach Einführung
der neuen Formenschönheit in die praktische Thätigkeit der Schreiner,
Schmiede und vor allen der Goldarbeiter maßgebend gewesen sein. Die
Titelblätter der zahlreichen damals erschienenen Kunstbüchlein sprechen
dies deutlich genug aus: als freie Kunstschöpfungen, aber zumeist mit