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Die Formen des antiken Goldschmuckes.
Von J. Folnesics.
(Schluss)
ln noch innigeren Beziehungen zum Ohrgehänge als das Diadem
steht in der Antike der Halsschmuck. Ein gewisses Gleichmaß in Bezug
auf Pracht und Größe, Technik und Stil war stets für eine harmonische
Gesatnrntwirkung erforderlich. Daraus geht hervor, dass wir beim Hals-
schmuck denselben Reichthum an Formen, dieselbe Mannigfaltigkeit an
Variationen vorfinden, wie bei den Ohrgehängen. Aneinander gereihte
Perlen sind ohne Zweifel die primitivste Art der Halszier. Die schon in
früher Zeit hochentwickelte Technik der Granulirung und des Filigrans
gab bald Veranlassung, die Oberfläche der goldenen Perlen oder Kügel-
chen reizvoll zu beleben, und ebenso hat man durch rythmische Ab-
wechslung verschieden geformter Perlen sowie durch Einfügung hübscher
Rosetten lebendiges Formenspiel in die Einförmigkeit der Perlenschnur
zu bringen gewusst. Seltener wurde mittelst Email und Einfügung von
bunten Steinen, wie Carneolen, Granaten, Smaragden und Sardonyxen
Abwechslung herbeigeführt, doch kommen auch solche Beispiele in der
Sammlung vor. Mit Vorliebe wurde der- Smaragd nicht allein wegen
seiner Farbe, sondern auch in Folge der ihm zugeschriebenen Kraft,
Liebe zu erwecken, besonders in römischer Zeit im Frauenschmuck gerne
verwendet. 'Ein weiterer Schritt in der Formenbildung fügte zu den
aneinandergereihten Perlen herabhängende, spitz zulaufende Tropfen
hinzu, die ihrerseits wieder theils gleichartig, theils abwechselnd. gestaltet
sind. Stehen jedoch diese Tropfen, wie es in älterer Zeit der Fall
ist, in fester Verbindung mit den Perlen, so fügen sie sich schlecht
den weichen Formen des Nackens, machen eine gewisse Steifheit unver-
meidlich und bringen die Tendenz des nach abwärts gerichteten Be-
hanges nicht deutlich genug zum Ausdruck. Wir finden daher in der
Regel zwischen der Perlenschnur und den herabhängenden Tropfen
bewegliche Ringelchen, bei feineren Arbeiten zierliche Kettengeflechte.
Dieselben Bereicherungen mit Rosetten, kleinen Masken, Früchten, Pal-
metten u. dgl., welche wir bei reicherer Entwickelung der Ohrgehänge
beobachtet haben, wiederholt sich auch hier und nicht selten tritt an
Stelle der Perlenschnur ein breiteres Kettengefüge, das den Hals band-
artig umschließt und den herabhängenden Kettchen scheinbar festeren
Halt verleiht. In diesen Bildungen, welche der Blüthezeit griechischer
Kunst angehören, hat der antike Halsschmuck seine höchste künstlerische
Vollendung erreicht; hier gehen Zierlichkeit und Pracht, technische Voll-
kommenheit und tektonisch mustergiltige Lösung Hand in Hand, um
Geschmeide herzustellen, die jedes gebildete Auge entzücken. - Andere
Bereicherungen der einfachen Perlenschnur hat man namentlich auf
italischem Boden dadurch erreicht, dass man eine zweite und dritte