bogen als Gecüste für die Flügel. Stramm und steif zeigten sich die
ältesten Adlerbilder (Fig. 22) mit abwärts gestreckten Fängen und Flügel-
fedem. Die Sachsen, d. h. die Armknochen der Schwingen, durch den
Kreisbogen markirt, waren dabei nur flach gekrümmt, der Schnabel ge-
schlossen und der Kopf schräg nach aufwärts gerichtet. Der Adler der
Renaissancezeit spreizte seine Fange fast wagrecht aus (Fig. 23), die
Sachsen krümmten sich, bis sie schließlich schon mehr als die Hälfte
eines Kreises bildeten; die Flügelfedern breiteten sich fächerförmig aus,
bis das äußerste Paar senkrecht sich emporrichtete. Der Schnabel erschien
verzerrt und aufgerissen mit herausgeschlagener, manchmal mit einem
Widerhaken versehener Zunge. Zwischen diesen beiden extremen Dar-
stellungsweisen gab es viele Abstufungen, und diese bilden für den Kun-
digen die Uhr, welche ihm über die Zeit, aus welcher die Adlerfigur
stammt, die nöthigen Andeutungen gibt.
Sonst fanden sich in den Wappen noch mannigfache, nach existi-
renden benannte oder phantastische Lebewesen. Das Einhorn, der Pe-
gasus, der Drache, aber auch die Katze und der Hund, der Pelikan, die
Lerche, die Henne, die Taube u. s. w.; auch Reptilien und lnsecten:
die Schlange, die Biene u. s. w. Sie wurden alle ohne Rücksicht auf die
ihnen zuzuschreibende relative Größe gebildet und hatten unter allen
Umständen den Raum des ihnen zugewiesenen Feldes nach den Grund-
sätzen der Ornarnentik auszufüllen. Aus dem Pfianzenreiche fanden außer
Bäumen auch kleinere Pflanzen und Blüthen Verwendung: die Rose, fünf-
oder sechsblätterig, die Lilie u. s. w.
Es folgt das Heer der nkünstlichenu Figuren, der Waffen und Ge-
räthschaften: Schwerter, Morgensterne und Streitkolben, Sicheln und
Barten; der Baulichkeiten, Mauern, Thürme und Castelle, der Brücken
und Schiffe u. s. w, u. s. w. Doch auch hier tritt keine dieser Figuren
aus ihrem ornamentalen Charakter heraus; nirgends eine Spur von per-
spectivischer Ansicht, nirgends eine wbildmäßige- Darstellung mit Unter-
scheidung des Vorder- und Hintergrundes.
Es erübrigt nun noch, bezüglich des Schildes einige Worte über das
Technische seiner Herstellung vorzubringen. Bei dem wirklichen Schild,
dem zum Gebrauche bestimmten und dabei heraldisch ausgestatteten, wurde
wohl in den ältesten Zeiten der europäischen Wappenkunst, d. h. haupt-
sächlich in der romanischen Periode, von der sogenannten Stiickung ein
ausgiebiger Gebrauch gemacht. Auf den mit Pergament, Leder oder mit
grundirter, mit Gyps, Kreide, Leim etc. präparirter Leinwand überzogenen
Feldern, deren Oberßäche häufig nicht glatt, sondern durch Pressung,
Schnitt etc. gemustert (damascirt) erschien, wurden mit Beihilfe einer
vielfach variablen Methode, reliefartig sich abhebend (aus verschiedenem
Materiale hergestellt), die ngemeinen Figurena applicirt, das Ganze. wo
es erforderlich war, mit Pinsel und Farbe weiter behandelt, mit Gold
und- Silber ausgestattet; wo es aber zweckdienlich erschien, die Figuren