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denn, dass ein großartiger Anstoß geschehe, und dieser Anstoß besteht in der Regulirung
der Wien, in dem Falle der Linienwälle und in der Stadtbahn. Wenn diese drei Fragen
gleichzeitig zur Losung kommen und energisch durchgeführt werden, dann steht neues
Leben und mit neuem Leben auch eine geschäftsreichere Periode der Kunstindustrie bevor.
J. v. F.
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Carl Screta, ein Beitrag zur Kunstgeschichte des i7. Jahrhunderts. Von
Gustav Pazourek. Prag, Fr. Ehrlich, 188g. 8". iiz S. H. l'8o.
Mit diesem Schriftchen haben wir erfreulicherweise wieder eine neue monogra-
phische Arbeit aus dem Bereiche der österreichischen Barocke zu verzeichnen, eine
wackere Leistung, mit welcher sich der Verfasser, ein Schüler Altv. Schulz's in Prag, auf
eine Gutes verheißende Weise in die Fachliteratur einführt. Die Sache steht in Bezug
auf Screta genau so, wie mit fast allen unseren Meistern aus der gedachten Periode: die
alte Literatur wimmelt von lrrthümern, wo sie nicht klaffende Lücken aufzuweisen hat;
die moderne archivalische und kunstkritische Forschung bietet endlich die Basis zu einer
richtigen Würdigung des Künstlers und seines Schaffens. Screta hat bei den fleißigen
und verständigen Untersuchungen seines Biographen jedoch als Mensch und Künstler
nicht gewonnen, ja, man wird nach den gewissenhaften Urtheilen Pazourek's ihm nicht
mehr jene hervorragende Position in der Kunstgeschichte zuerkennen dürfen, welche der
Name bisher gehabt hatte. Klang er doch als einer der vornehmsten in der Geschichte
der Malerei Oesterreichs, ganz gewiss aber als der berühmteste böhmische Künstlername.
Und doch haben ihn nur unter den Zeitgenossen persönliche Freunde und die bei seinem
Ruhme interessirten Jesuiten, später aber und heute noch eine nationale Tendenz so
hßCh CmPlWgCSChrlubl, welche in ihm einen großen czechischeii Maler brauchte. Auf
sehr interessante Weise beleuchten nun die in den Prager Archiven gemachten Ent-
deckungen des Verfassers, wie der unfachmännische Dilettantismus der bisherigen Partei-
schriftsteller, indem sie Screta zum Helden der böhmischen Palette und zum begeisterten
Czechen machen wollten, gerade den unglücklichsten Griff gethan haben. Denn aus den
Urkunden geht nun hervor, dass Screta umgekehrt mit der Partei ging, welcher die
Schlacht am weißen Berge das Heft in die Hand gegeben hatte; dass er der innigste
Freund und Gesinnungsgenosse der Jesuiten war; dass er den slavischen Namen seiner
Vorfahren zeitlebens italianisirte; jener Vorfahren, welche der Umschwung der Dinge
nach jener folgenschweren Niederlage gleich so vielen anderen an Vermögen und Glücks-
gütern geschädigt hatte. Sie waren Protestanten, der kluge Maler aber wechselte den
GlWbC" und WIISSYS als ein gewandter "Geschäftsmann durch zahlreiche Processe, ja
selbst durch Anzeigen, sich die Trümmer des Verniogens seiner Ahnen möglichst zu
sichern. Die Verhandlungen decken da manche Umstände auf, welche Charakter und Ge-
sinnung Scretlfs keineswegs als die vornehmsten und loyalsten erscheinen lassen. Der
Autor thut nichts dazu, er lasst die Acten sprechen und ist ferne von jeder Parteilich-
keit. Sein Urtheil über den Künstler ist sehr strenge, doch nicht ungerecht, und
selbst bei so scharfer Kritik, wie Pazourek dem allerdings oft ziemlich sorglosen Maler
und Componisten zu Theil werden lässt, bleibt doch immer noch so viel übrig, dass
seinen Werken manches Interessante nicht abgesprochen werden kann. Screta leidet dabei
eben nur an den herkömmlichen Posatinenstoßen von dem böhmischen Apelles u. dgl.
Und wenn nun in Zukunft seine Lorbeern auch etwas dünner geworden sind, so hat der
VEFTKSSCF Slhl fCChl, wenn er darauf hindeutet, dass der Barockkunst Böhmens aus jener
Zeit doßh dimm hiChls verloren gehe, weil ein Reiner, ein Brandel, von denen wir
kunstgeschichtlich heute noch fast gar nichts wissen, um so hedeutendere Künstler sind,
und deren wissenschaftliche Erforschung den Defect bedeutend ausgleichen dürfte. Uebri-
gens ist_all' das 1a selbstverstandlich nicht in dem Sinne zu verstehen, als wenn wir von
nun_an in Screta nur einen Pfuscher und Schmierer zu erblicken hätten,-er ist und bleibt
gewiss eine mehrfach bemerkenswerthe Erscheinung, ein gewandter Nachahmer Guido
Renfs, Guercinds, der Neapolitaner und zum Theil auch der großen Venetianer, -- es
büüdlllß SAlCh m" um die Richtigstellung eines Superlativismus, welcher bisher aus, der
Wissenschaft fremden Tendenzen im Vereine mit ungenügender Fachkenntniss seinen Ur-
sprung genommen hatte. Sehr ausführlich und gänzlich neu ist die Abstammung und die
Familiengeschichte erürtert. Ueber seine künstlerische Bildung daheim sowie in Italien
Gießen die Quellen dagegen spärlicher. Von dem wachsenden Einfluss des Meisters nach
seiner Rückkehr um i635 , seiner steigenden Bedeutung durch die mächtige Verbindung
111i! d" Gliiliiihllßil, über seine umfangreiche Beschäftigung, das Zunehmen seines
Wohlstandes, die_glückliche Führung seiner, aber nicht immer erfreulichen, Prozess-
angelegenheiten bietet das Buch sehr reiches, zum ersten Male veroßentlichtes Acten-
material, dem mancher höchst interessante culturhistorische Zug anhaftet. Dann finden
wir werthvolle Mittheilungen über Screta's Schüler und seinen, gleichfalls der Malerei