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Geschichte des Physiologus. Von Dr. Friedrich Lauchert. Straßburg,
K. J. Trübner, 188g. 8". XIII, 312 S. M. 7.
Wenngleich von den vielen Thiersymbolen des Mittelalters für unsere heutige kirch-
liche Kunst wenig mehr verwendbar ist, weil eine der Wahrheit entsprechende Naturkunde
jene alten Fabeln zerstört und für das Volk unbrauchbar gemacht hat, so dass fast nur
das Symbol des Pelikans sich allgemeinen Verständnisses erfreut, und das Wiedererwecken
der alten Thiersymbole nicht mehr recht gelingen will: so ist es doch demjenigen, der
in das Verstandniss der mittelalterlichen Kunst eindringen will, geboten, jene Symbole
und den Boden, aus dem sie gewachsen sind, genau zu kennen. Solchen Forschern und
Liebhabern der mittelalterlichen Kunst erweist das vorliegende Buch ausgezeichnete
Dienste. Denn nicht allein bietet es tüchtige kritische Texte des Physiologus (griechisch
und mittelhochdeutsch), sondern es behandelt mit dankenswerther Gründlichkeit alle -ein-
leitenden: Fragen über die Entstehung des Physiologus (etwas vor 150 vor Chr.), über
seine Quellen, seine Stellung gegenüber der orthodoxen christlichen Lehre, über die
Spuren seiner Benutzung noch in der patristischen Zeit und über seine Schicksale. Es
kann überhaupt als Nachschlagewerk bezeichnet werden, das in keiner kunstarchlolo-
giscben Bibliothek fehlen soll, da die Literatur, auch die orientalische, sehr erschöpfend
behandelt ist. Nur wenig glauben wir ergänzen zu dürfen, aber auch hier sind wir nicht
vollig sicher, ob nicht doch Lauchert an irgend einer unserem Gedächtniss sich ent-
ziehenden Stelle Erwähnung jener Werke macht, deren Titel wir beibringen. Wir vermissen
Heider's nSchongrabernn, ein gerade für Typologie wichtiges Werk, und dessen nBei-
trage zur christlichen Typologie aus Bilderhandschriften- im Jahrbuche der k.k. Central-
commission, Wien 186i. Auch möchten wir zu dem uns in dieser Zeitschrift besonders
wichtigen Capitel (S. 208 lf.) iüber die Symbolik des Physiologus in der christlichen
Kunst: auf Karabacek's Susandschird aufmerksam machen, d. h. auf jene Partien, in
welchen dieser Gelehrte die arabische Thiersymbolik und {insbesondere das chinesische
Fabelthicr Kü-lin behandelt, eine Darstellung, die auf orientalischen, in den Occident
verhandelten Seidenstotfen vorkommt und sicher neue Anstöße zur Weiterbildung der
Sage und der Symbolik des Einhorns geboten hat. Lauchert hatte, streng genommen,
nicht den Beruf, so weit hinüber in den Orient zu greifen, aber unser Fingerzeig dürfte
nicht ohne Werth für diejenigen Forscher sein, welche über Lauchert hinaus den Quellen
nachgehen, die in jene Bachlein münden, aus denen der Physiologus geschöpft hat.
Zu S. 2x4 ware aus eben diesem Gesichtspunkte nachzutragen, dass auf manch'
neuem Gewebe (z. B. bei Bock, Gesch. der liturg. Gew.) der Elephant mit dem Thurm
auf dem Rücken ein Symbol des Elementes xErdeu darstellt. - Wir benutzen diese Ge-
legenheit, um weiter auf die Handschriften Nr. x45 u. igt des Stiftes Lilienfeld aufmerksam
zu machen, weil sie Gegenstände behandeln und Verse enthalten, die zum Physiologus
in einem gewissen Bezuge stehen. Hier seien die höchst instructiven Bilder der Hand-
schrift 15! erwähnt, welche u. A. auch Neuwirth in den Sitzungsber. der kais. Wiener
Akademie der Wissensch. (Wien 1885) ClX, S. 537 besprochen hat. Zwar sind in den
beiden Handschriften schon recht spielende, weither geholte Moralitates in Verse gebracht,
aber sie sind nicht ohne Werth, und ist die Angabe der Quellen zu der Thiersymbolik
wichtig. Wir setzen eine dieser Angaben hierher: Aristoteles, Experimentator, Plinius,
Solinus, Acelinus, Adelmus, Liber naturae, Liber rerum, lsidorus, Augustinus, Liber
de naturis animalium, Glossa super lsaiam, Jacobus, Rabanus, Ambrosius, Alexander,
b, Gregorius. Die Bilder, abgesehen von den Thierbildern, enthalten eine geradezu uner-
schopfliche Quelle von culturhistorischem Materiale. Wenn doch ein muthiger Verleger
sich fände, wenigstens den Codex Campil. 15x in Phototypie herauszugeben! - Die Aehn-
lichkeit dieser Stücke mit dem Physiologus hat uns zu dieser Abschweifung bewogen;
wir kehren zu Laucherfs Arbeit zurück, die wir den Fachgenossen und den Liebhabern
mittelalterlicher Kunst und Dichtung bestens empfehlen. N-nn.
i-
Mustergiltige Holzintarsien der deutschen Renaissance aus dem i6. und
17. Jahrhundert. Gezeichnet und herausg. von Karl Lacher. Graz,
F. Pechel, i889. gr. Fol. 30 Taf. H. ro.
, Die hier veröffentlichten lntarsia-Werke haben fast samintlich in der Zeit zwischen
1550 und 1600 ihre Entstehung gefunden. Das Hauptgewicht wurde vom Herausgeber
oGenbar auf das maureske Ornament gelegt, in zweiter Linie auf das eigentlich deutsche
Roll- und Bnndwerk mit seinen reichen Profilirungen und Durchbrechungen. Von Car-
touchenornamenten sind nur wenige, in der That mustergiltige aufgenommen, das Blumen-
otnament der nächstfolgenden Zeit hat auf Taf. 4a eine sehr discrete Vertretung _ge-
funden. Dem Ornament der Kleinmeister begegnen wir noch in einem späten Beispiele
(von 1563) mit Blattwerk in Aldegrevefscher Manier (Taf. 25). Nur Taf. 30 mit einer