Frauen betrifft, geht ihren eigenen Weg und kümmert sich nicht darum,
ob die Möbel altdeutsch oder Rococo, ob die Wände in schwachen oder
in starken Farben decorirt sind. Mustert man aus diesem Gesichtspunkt
die Seidenstoffe von Lyon, welche zur Toilette bestimmt sind, oder die
zahlreich ausgestellten fertigen Kleider, so zeigt sich in der Kleidung
gerade der entgegengesetzte Geschmack wie im Mobiliar. Die kräftigen,
starken, leuchtenden Farben herrschen vor und Grund und Verzierung
stehen in scharfem Contrast, statt sanft ineinander überzugehen. Zur Zeit
der Kaiserin Eugenie beschwerten sich die Lyoner Fabrikanten über
die Mode, welche nur einfarbige, nicht verzierte Stoffe verlange; heute
hätten sie keine Ursache dazu: die Stoffe sind überaus reich verziert, wo
der Webstuhl nicht ausreicht, mit Stickerei, selbst mit Malerei, und da
wird denn wohl die Grenze des ästhetisch Erlaubten überschritten. Zwar
sieht man keine Kleider wie auf der Ausstellung von 1878, wo sich ein
seidenes Schleppkleid befand, das in seiner ganzen Länge bis herab zum
Ende der Schleppe mit fünfzig wohlgezählten Vogelnestern in natura
verziert war, aber wenn Kleider den ganzen Rücken und die Schleppe
hinab mit verschiedenen Genrebildern in Medaillons und Arabesken ver-
ziert sind, so ist das auch - nicht mehr schön. Das ist freilich Aus-
nahme, aber die Anordnung ist insofern die Regel, als die Verzierung
mit großen Blumen, z. B. feurigen, übernatürlich großen Tulpen, mit
Federn, mit bunten schillernden Vögeln so die ganze Bahn herabläuft,
dass sie, oben schmäler, nach unten sich erweitert; Straußenfedern,
schwarz auf lichtgrünem Grunde, sind in dieser Art wie zufällig darauf
gestreut, oder ein einziger Palmenzweig läuft vom Rücken bis zum Ende
der Schleppe herab. Auch einen dunkelblauen kostbaren Kleiderstoff, be-
deckt mit grauen Wolken, ein Bild des Himmels, darf man bewundern.
Aehnliche Excentricitäten würden wir noch mancherlei entdecken,
wenn wir uns weiter in das Gebiet der eigentlichen Mode einlassen
wollten, und die Hüte, die Schuhe, die künstlichen Blumen, die Frisuren
durchmusterten. Auch die Herrentoilette, in welcher wir mit Vergnügen
einen feuerrothen und einen lichtgrünen Frack mit grünen Moireaufschlägen
und blanken grünen Knöpfen und Maiglöckchen im Knopfloch betrachteten,
würde uns nicht ohne Gewinn lassen. Allein auf diesem Gebiete, das eine
Welt für sich ist, das nicht das Schöne, nur das Neue zu schaffen hat,
wollen wir nicht mit den Franzosen rechten. Gibt es hier so mancherlei,
was uns belustigt und erheitert, auch wohl unsere Verwunderung erregt,
so erfreuen wir uns dagegen an zahllosen Gegenständen der eigentlichen
Kunstindustrie. Und, Alles in Allem betrachtet, können wir dem, was
die Franzosen hier geleistet haben, unsere Anerkennung nicht versagen,
ebensowohl ihren Arbeiten, wie der ganzen Ausstellung. Arbeiten wie
Ausstellung sind in schweren Zeitläuften, unter den schwierigsten Um-
ständen, unter drohenden inneren und äußeren Gefahren, unter Ver-
sagung eines großen Theiles der Culturstaaten, geschaffen, und sind