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Full text: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 12)

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zeitig scheint eine Veränderung mit dem Charakter der Wanddecoration 
vor sich zu gehen, denn während früher die Wände durchaus dunkel 
gehalten waren, besonders in Roth und Grün, sehen wir jetzt durchweg 
licht gehaltene Tapeten, bei denen Grund und Ornament in ihrer Hal- 
tung sich wenig von einander scheiden. Selbstverständlich muss auch 
das Sitzmöbel mit hellerer Stimmung folgen; es ist aber nur sehr We- 
niges vorhanden, welches allerdings diesen Schluss bestätigt. 
Für die englische Kunstindustrie ist es vielleicht von Vortheil, dass 
sie keine nennenswerthe Vergangenheit hat; sie ist daher freier von Nach- 
ahmung und kann unbefangener den Weg einer ganz rationellen Reform 
betreten, auf welchem sie uns ja auch vorangegangen ist. Alle anderen 
Staaten mit einer großen Kunstvergangenheit oder auch nur einzelnen 
ehemals blühenden Kunstzweigen sind immer in dem Bestreben befangen, 
diese Kunstzweige wieder zu erneuern. Das macht ihnen einerseits wohl 
die Sache leichter, andererseits aber wird es ihnen um so schwerer, zu 
einer gewissen Originalität zu gelangen. Dies gilt vor Allem von ltalien, 
das ja eine reiche Kunstgeschichte und eine Fülle einst blühender Kunst- 
zweige geschaEen hat. Es hat den Goldschmuck der antiken classischen 
Zeit, die Majoliken des sechzehnten, die Porzellane des achtzehnten Jahr- 
hunderts, die geschnitzten sowie die mit lntarsia verzierten Möbel der 
Renaissance, die alten Bronzen, die antiken und die venetianischen Glas- 
arbeiten - ltalien hat das Alles wieder erneuert, zu neuer Blüthe ge- 
bracht und ihm doch nicht zur Originalität verholfen. Es hat wohl die 
Vorbilder erweitert, aber nicht neue Arten geschaffen. So liegt eine Er- 
weiterung in der Uebertragung der Majolika- oder Luca della Robbia- 
Ornamentation auf kleine Plastik in farbigem glasirten Thon. Zahlreiche 
Figuren und Gruppen, meist aus dem Volksleben gegriffen, von überaus 
drastischer, selbst carrikirter Gestaltung, zeigen, dass dieses Genre sehr 
populär geworden ist, aber es ist auch populär in der schlimmen Be- 
deutung des Wortes. Man wird einen Moment durch die Geschicklichkeit 
der Arbeit und die Lebendigkeit der Figuren gefesselt, um sich sofort 
von der ganzen unedlen Art wieder abzuwenden. Es ist das Seilenstück 
zu den genrehaften Marmorfiguren der Italiener, die zu Dutzenden auf 
allen Ausstellungen zu sehen sind, nur noch auf viel tieferer Stufe des 
Geschmackes stehend. Ganz das Gleiche geschieht jetzt mit den Bronze- 
statuetten, welche ebenso diese Richtung auf das Drastiscli-Komische ein- 
geschlagen haben und damit nach modernster Popularität bei der Menge 
haschen. 
Wie ltalien seine Majoliken, so hat Holland jetzt seine Faience- 
kunst wieder aufgenommen. Die blauweißen Faiencen von Delft haben 
im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert sich und ihre Stadt durch 
die ganze Welt berühmt gemacht. Entstanden in Nachahmung chine- 
sischen und japanischen Porzellans. waren sie doch zu voller Origi- 
nalität gelangt und wurden ihrerseits wieder in den Porzellanfabriken
	        
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