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Leistungen hervorgebracht habe. Auf Grund dieser wEntdeckung-i waren,
oder, zum Theil richtiger gesagt, wären die Bestände unserer Textil-
sammlungen, welche sicherlich so manches Stück spanischen Ursprungs
unter italienischer und niederländischer Flagge segeln lassen, einer Re-
vision zu unterziehen, die gewiss interessante Belege für den Entwick-
lungsgang der spanischen Webekunst zu Tage fördern würde; doch ist
dies immerhin ein nicht allzu leichtes Beginnen, da wir bis heute noch
weit davon entfernt sind, wenn auch nur in wenigen markanten Exem-
plaren die verschiedentlichen charakteristischen Stilstadien zu kennen,
die die Textilkunst Spaniens von der Vertreibung der Mauren bis zur
Zeit des allgemeinen Niederganges der europäischen Kuntstweberei durch-
messen hat. Um so willkommener müssen uns daher spanische Steife sein,
deren Datirung nicht, wie dies bei Producten der Textilkunst ja meist
der Fall zu sein hat, lediglich auf Grund stilkritischer Prüfung ihrer
Ornamentik zu erfolgen braucht, sondern die in bestimmten Details ihres
Decors die untriiglichsten Anhaltspunkte für eine vollkommen sichere
und genaue Datirung an sich tragen.
Ein Muster solch' eines Stoffes besitzt das k. k. Oesterr. Museum
für Kunst und lndustrie in dem nebenstehend abgebildeten Silberbrocat
von zweifellos spanischer Provenienzl), dessen ganzer ornamentaler Ductus
die etwaige Annahme eines niederländischen oder italienischen Ursprungs
sicherlich ausschließen dürfte.
Das ziemlich starke Gewebe, dessen vorliegendes Muster eine Größe
von 31 zu ig Centimetern hat, weist über weißseidenem, ripsartig ge-
bundenem Gtunde, im Schusse, stark flottliegende (und daher heute zum
größten Theil ahgenützte) Silherfäden auf, von denen sich das in bro-
schirten bunten Seiden- und Goldfäden ') mit außerordentlicher Feinheit
gewebte Muster kräftig abhebt. Dieses besteht aus einem dicht und völlig
gleichmäßig vertheilten, ziemlich kleinen Streudecor, das in horizontaler
und verticaler Reihe abwechselnd ein pflanzliches ') und ein heraldisches
Motiv zeigt, so dass sowohl die ersteren als die letzteren gleichmäßige
Diagonalstreifen bilden; der Rapport tritt, dem Schusse wie der Kette
nach, jedesmal mit dem vierten Motiv ein.
1) lch berufe mich hier auf dss bewährte Urtheil eines ausgezeichneten Kenners,
des Directors des königl. Kunstgewerbe-Museums in Berlin, Geh. Regierungsrnths Prnf.
Dr. J. Lessing. _
9) Während die Goldfäden aus umsponnenen Seidenflden bestehen, sind die Silber-
füden des Fonds nur dünngezogene Silberdrähtc. - Die Färbung des Musters bleibt im
Rapport nicht dieselbe, sondern wechselt ab; so ist der Dessin der oberen Partie unseres
Musters vornehmlich in gelben und rothen Tönen gehalten, wihrend bei seiner Wieder-
' holung im unteren Theil unseres Musters eine hlaugrüne Färbung vorwiegt.
3) Die vegetsbilischen Motive sind zumeist ziemlich naturalistisch gezeichnet;
vergl. z. B. das Eichenluub, den Birnzweig, den Granstzweig etc. Dieser letztere hat
hier, nach dem Plntz, den er im Dessin einnimmt, zu schließen, wohl lnum die Be-
deutung des Wlppenbildes von Grennds.