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Full text: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1891 / 2)

der feinsinnigen Kreise hervorgerufen, und selbst Beifall undvhuldvolle 
Unterstützung unseres Allerhöchsten Hofes errungen haben. 
Das Kalotaszeg bietet in der That ein köstliches Erbstück ungarischer 
Hausindustrie. Zieht man die reinlichen Dörfer des Thales entlang, so 
befindet man sich in einer eigenartigen, malerisch gestimmten Welt. Die 
weibliche Volkstracht überrascht durch das Plastische und coloristisch 
Wirksame, nicht minder wie durch die köstliche Reinlichkeit und Frische. 
Bei der eigentlichen magyarischen Volkstracht sind die weiten faltigen 
Leinen-Beinltleider traditionell im Gegensatz zu den knapp anliegenden 
Stiefelhosen. Auch die Ungarn haben eine Vorliebe für helle Farben, und 
selbst die Aermeren lassen sich ihre Mäntel und ihre enganliegenden 
Leibchen gerne mit hellfarbigen Tulpen, Rosen, Nelken und dergleichen 
ausnähen. In die Tracht der Vornehmen hat allmälig auch italienische, 
spanische und polnische Mode Eingang gefunden, und selbst die pracht- 
Iiebende Herrschaft der Türken blieb nicht ohne großen Einfluss und 
lieferte die turbanartige Kopfbedeckung, den Krummsäbel, das bunte 
Pferdegeschirr. Theils aus Prachtliebe, theils weil man das Vermögen 
wegen der Unsicherheit der Zustände gerne in leicht fortschaffbaren 
Objecten anlegen wollte, häufte sich in den reicheren Familien sehr viel 
Geschmeide auf: Goldschnüre und Schnallen, Edelsteine und Perlen, 
Kopfschmuck, Ohrgehänge, Halsketten, Ringe, Gürtel, Prachtsäbel, weshalb 
besonders die Goldschmiedekunst, das Schneiden, Schnür- und Knopf- 
machergewerbe zu hoher Blüthe gelangt war. 
In der Zips, in Nordostungarn, bildete Jahrhunderte hindurch die 
Leinwandweberei die Hauptindustrie. Ueberdies liebte man das Mobiliar 
farbenprächtig mit stilvollen Pflanzenornamenten auszustatten, welche 
einen eigenthümlichen Widerspruch zu den Krügen und Tellern bilden, 
von welchen uns der Naturalismus grell entgegenleuchtet. Die Frau 
trägt bunte Kattunkleider mit feinen Spitzen verziert, ihr Leibchen ist aus 
gelber, das Halstuch aus grüner Seide, ihr Hemd aus schneeweißer Lein- 
wand, ihr Kopfputz Goldstickerei. Die Tracht des Mannes ist aus blauem 
Tuch gefertigt und mit grünen Seidenschnüren reich verziert, während 
aus seinen Aermeln blumig bestickte Manchetten hervorlugen. Die Zipser 
sind zum Theile aus Tirol, zum Theile aus Schlesien und Thüringen 
eingewandert und zeichneten sich allezeit durch regsamen kunstsinnigen 
Fleiß aus. 
Ueberblicken wir nunmehr den gegenwärtigen Zustand der Haus- 
industrie in Ungarn, so finden wir, dass dieselbe, wiewohl von dem fort- 
schreitenden Einliuss der Cultur immer mehr verdrängt und eingeengt, 
gleichwohl noch immer eine sehr beachtenswerthe Höhe einnimmt, in 
einzelnen Zweigen an das Kunstgewerbe streift, zum Theile eine ganz 
eigenartige nationale Industrie hervorgebracht hat, und dabei mit der 
Landwirthschaft in innigster Verbindung zu bleiben bestrebt ist.
	        
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