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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1891 / 2)

 
werth voll erkannte, indem er den ärgsten Menschendienst, den Sclaven- 
dienst, der Maschine tiberantwortete; und dieses einzige Mal hat er, 
der sonst mit seinen Aussprüchen den Nagel auf den Kopf zu trelfen 
pflegte, geirrt. Denn nicht die Maschine ist unser, der Menschen, Sclave 
geworden, vielmehr sind wir die Sclaven der Maschine, oder wenigstens 
ihrer Arbeit, ihrer Errungenschaften, ihrer Erzeugnisse. Deshalb auch 
wEire es ein Wahn, zu glauben, wir könnten uns jemals wieder von der 
Maschine, von der ganzen modernen Fabriksthätigkeit emancipiren; nur 
eine allgemeine Katastrophe wäre dergleichen zu bewirken im Stande, 
eine Katastrophe, bei welcher aber nicht blos das Fabrikswesen, sondern 
ganz gewiss auch unsere gesamrute Cultur in die Brüche ginge. 
Compromiss und ein richtiges wSichabfindenn muss deshalb 
die Losung derjenigen lauten, welche gleichwohl eine Besserung unserer 
heutigen, nicht durchaus erbaulichen kunstgewerblichen Zustände an- 
streben. Und der Weg dazu soll - wie in fast allen Lagen, wo wir mit 
unserer Cultur- und Schulweisheit zu Ende sind - die Natur uns zeigen. 
"Die Natur ist aristokratischu hat Schopenhauer gesagt und damit 
gemeint, dass die Natur di_e vorzüglichen Exemplare unter den Menschen 
nur vereinzelt, nicht dutzendweise hervorbringt. Und einer der größten 
Demokraten (an sich betrachtet freilich selbst ein solches vereinzeltes 
aaristokratischesn Exemplar der Naturschöpfung), J. J. Rousseau, hatte 
diese i-Aristokratin" Natur über Alles lieb, so lieb, dass Rückkehr zur 
Natur das Grundmotiv seiner gewaltigen erzieherischen Bestrebungen 
bildet. Wir können daraus folgern, dass Natur es wirklich vortrefflich 
versteht, das Richtige hervorzubringen, indem sie Vertreter selbst so ent- 
gegengesetzter Grundsätze, wie Aristokratismus und Demokratismus, zu 
bedingungslosem Lobe hinreißt. Und wie macht sie es? Sie schafft demo- 
kratischt denn sie ist nicht exclusiv in ihren Werken und verwendet 
die gleiche Sorgfalt auf Alles, was sie hervorbringt; aber sie schafft auch 
aristokratisch: denn Massenerzeugung, Dutzend- und Fabrikswaare ist 
nicht ihr Grundsatz, vielmehr schaEt sie ihre Werke im Einzelnen, indi- 
vidualisirt sie, weiß sie von Fall zu Fall zu gestalten. 
Und geradevhierin soll die Kunst der Natur am strengsten folgen, 
gerade hierin soll sie sich ihr am engsten anschließen! 
Als der König eines großen Reiches, so berichtet eine Anekdote, 
einstmals den Adel abschaifen wollte, gerieth er 0b dCS Widerstandes 
zahlreicher Edler seines Landes in arge Bedrängniss. Da kam er auf einen 
köstlichen Einfall: Er adelte mit einem Male alle seine Unterthanen. 
Und siehe da, sein Zweck war erfüllt! Indern Alle Adelige waren, war 
es Keiner mehr. 
Ungefähr ebenso machen wir es heutzutage mit unseren Kunst- 
bestrebungen: indem wir allerorten und stets nach Kunst und Kunst- 
gewerbe rufen, folgt die Kunst diesem Rufe längst nicht mehr. Wir
	        
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