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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1891 / 2)

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sollten daher weniger nKunstu verlangen, und wir würden mehr Kunst 
haben. Unsere Anforderungen an die Kunst in Bausch und Bogen sind 
wirklich das unklinstlerischeste, das sich denken lässt. 
Man sollte bedenken, dass die Kunst keine - Courtisane ist, die 
sich Jedermann um ein paar Groschen an den Hals wirft; Kunst muss 
errungen werden, und "Kunst mit Gunstu lautet ein altes vortreffliches 
Handwerkersprüchlein. Besonders aber sollten wir uns jenes eben er- 
wähnten Grundsatzes der Natur, ihre Werke zu individualisiren, öfter 
erinnern und unserer Kunst das gleiche Recht einräumen. Also keine 
Dutzendwaare mehr, gönnt jedem einzelnen Stück, auch ein einzelnes 
Individuum zu sein! Das kostet freilich etwas mehr, aber schränkt lieber 
Euren Dutzendluxus ein und veredelt ihn! 
Gottfried Semper hat den modernen Missbrauch, Figurales rhyth- 
misch zu wiederholen, treHend ein psychisches Vomitiv genannt; eine 
ähnliche Wirkung übt auch unsere moderne Schablonenkunst, welche in 
ihrem vFormenschatzu so arm ist wie kaum der ungebildetste Mensch 
in seinem "Wortschatz". Das sollte anders werden. Wenn es freilich 
auch stets dem Reichen allein vorbehalten bleiben wird, Künstler und 
Gewerbetreibende ganz speciell in seine Dienste zu stellen und mit Auf- 
trägen zu betrauen, die nur das eine Mal und nicht wieder ausgeführt 
werden, so können die Minderbemittelten doch insofern sich diesem Ideal 
künstlerischen Gönnerthums nähern, dass sie wenigstens im Kleinen das 
geschilderte Princip des windividualisirendenu Geschmacks befolgen. Ein 
Buch, ein Trinkglas, selbst ein Möbel und hundert andere Gegenstände 
unseres Gebrauchs sind leichter für den speciellen Zweck ihres Besitzers 
gekennzeichnet und vom Dutzendproduct zum individuellen, fast könnte 
man sagen persönlichen Dinge erhoben, als man vielleicht glaubt. Dieser 
Theil der Arbeit, diese individualisirende Zuthat, kann aber freilich blos 
die Handarbeit und die Einzelfabrication leisten, und hier muss 
sie daher die Fabriks- und Massenproduction ablösen oder doch wenig- 
stens ergänzen. nEin Strich von Künstlerhandu vermag selbst ein sonst 
mittelmäßiges Bild zu beleben; - in unserem Falle bedarf es blos des 
vrSITlChES mit der Handu überhaupt, d. h. ein bischen Handarbeit, und die 
Fabrikswaare ist in ihrem Werth unendlich gehoben. Wenigstens diesen 
freien Spielraum sollte man der Kunst einräumen, diese eine, enge Pforte 
ihr öffnen, und sie wird gewiss in unsern Haushalt einziehen. 
Aber nicht blos der Käufer muss solcherart einem edleren Geschmack 
bereitwillig entgegenkommen, indem er die Handarbeit in geschickter 
Combination mit _der Fabrikswaare bevorzugt, auch der Erzeuger, der 
Handarbeiter muss das Seinige thun; er muss vor Allem bedacht sein, 
Muster und Formen zu finden, welche wohl die Hand, nicht aber 
die Maschine hervorzubringen vermag, wenigstens so leicht nicht", und 
welche daher auf lange Zeit hinaus die verderbliche Concurrenz mit dem 
Dutzendbetrieb nicht zu fürchten brauchen.
	        
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