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sollten daher weniger nKunstu verlangen, und wir würden mehr Kunst
haben. Unsere Anforderungen an die Kunst in Bausch und Bogen sind
wirklich das unklinstlerischeste, das sich denken lässt.
Man sollte bedenken, dass die Kunst keine - Courtisane ist, die
sich Jedermann um ein paar Groschen an den Hals wirft; Kunst muss
errungen werden, und "Kunst mit Gunstu lautet ein altes vortreffliches
Handwerkersprüchlein. Besonders aber sollten wir uns jenes eben er-
wähnten Grundsatzes der Natur, ihre Werke zu individualisiren, öfter
erinnern und unserer Kunst das gleiche Recht einräumen. Also keine
Dutzendwaare mehr, gönnt jedem einzelnen Stück, auch ein einzelnes
Individuum zu sein! Das kostet freilich etwas mehr, aber schränkt lieber
Euren Dutzendluxus ein und veredelt ihn!
Gottfried Semper hat den modernen Missbrauch, Figurales rhyth-
misch zu wiederholen, treHend ein psychisches Vomitiv genannt; eine
ähnliche Wirkung übt auch unsere moderne Schablonenkunst, welche in
ihrem vFormenschatzu so arm ist wie kaum der ungebildetste Mensch
in seinem "Wortschatz". Das sollte anders werden. Wenn es freilich
auch stets dem Reichen allein vorbehalten bleiben wird, Künstler und
Gewerbetreibende ganz speciell in seine Dienste zu stellen und mit Auf-
trägen zu betrauen, die nur das eine Mal und nicht wieder ausgeführt
werden, so können die Minderbemittelten doch insofern sich diesem Ideal
künstlerischen Gönnerthums nähern, dass sie wenigstens im Kleinen das
geschilderte Princip des windividualisirendenu Geschmacks befolgen. Ein
Buch, ein Trinkglas, selbst ein Möbel und hundert andere Gegenstände
unseres Gebrauchs sind leichter für den speciellen Zweck ihres Besitzers
gekennzeichnet und vom Dutzendproduct zum individuellen, fast könnte
man sagen persönlichen Dinge erhoben, als man vielleicht glaubt. Dieser
Theil der Arbeit, diese individualisirende Zuthat, kann aber freilich blos
die Handarbeit und die Einzelfabrication leisten, und hier muss
sie daher die Fabriks- und Massenproduction ablösen oder doch wenig-
stens ergänzen. nEin Strich von Künstlerhandu vermag selbst ein sonst
mittelmäßiges Bild zu beleben; - in unserem Falle bedarf es blos des
vrSITlChES mit der Handu überhaupt, d. h. ein bischen Handarbeit, und die
Fabrikswaare ist in ihrem Werth unendlich gehoben. Wenigstens diesen
freien Spielraum sollte man der Kunst einräumen, diese eine, enge Pforte
ihr öffnen, und sie wird gewiss in unsern Haushalt einziehen.
Aber nicht blos der Käufer muss solcherart einem edleren Geschmack
bereitwillig entgegenkommen, indem er die Handarbeit in geschickter
Combination mit _der Fabrikswaare bevorzugt, auch der Erzeuger, der
Handarbeiter muss das Seinige thun; er muss vor Allem bedacht sein,
Muster und Formen zu finden, welche wohl die Hand, nicht aber
die Maschine hervorzubringen vermag, wenigstens so leicht nicht", und
welche daher auf lange Zeit hinaus die verderbliche Concurrenz mit dem
Dutzendbetrieb nicht zu fürchten brauchen.