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Litteratur-Bericht.
Die Klosterkirche in Ottobeuren. Photograpische Aufnahmen von Otto
Aufleger, Architekt in München. 30 Blatt in Lichtdr. (Süddeutsche
Architektur und Ornamentik, 18. Jahrh.) München, Buchholz St Werner,
1890. F01. M. 25.
Der Architekt Johann Michael Feichtmayr aus Augsburg und der Bildhauer Josef
Christian aus Riedlingen haben durch ihre üppige Decorationskunst die Kirche des Bene-
dictinerstiftes in Ottobeuren im bayerischen Kreise Schwaben zu einem Juwel süddeut-
scher Architektur des 18. Johrhs. erhoben. Diese zierlichen Cartouchen an Wänden,
Pfeilern und Gewölben, diese phantasievoll componirten llermen und Karyatiden, die
stark bewegten Kinderf-iguren und vielfach gegliederten Umrahmungen, Gesimse, Fül-
lungen und Bekronungen in den reich entwickelten Formen des Rococu unserer künst-
lerischen und kunstgewerblichen Reproduction als Vorbilder zugänglich zu machen, ist
der Hauptzweck der vorliegenden Publication. Die 30 Tafeln in guten Lichtdrucken von
J. Albert in München bringen sowohl Gesammtansichten als auch zahlreiche Details des
weit mehr im profanen als im kirchlichen Geiste ausgestatteten Chorgestühles, der Orgel,
der Beichtstnhle, Altäre u. s. w. Ein kurzer Text erwähnt die Zeit der Errichtung der
Kirche (1737 bis 1766), die Namen der dabei beschäftigten Künstler und andere auf den
Bau und seine Geschichte bezügliche Daten. FS-
ir-
Tapisseries, broderies et dentelles. Recueil de modeles anciens et mo-
dernes, precede d'une introduction par E. Müntz. (Bibliotheque
internationale de Part.) 150 Grav., 43 S. Text. 4.". Paris, librairie
de l'art. M. 20.
Ein Sammelwerk von etwas bunter Zusammensetzung, die kaum von einer sach-
kundigen Hand entworfen worden ist. Die Vorrede von Müntz beschrankt sich auf allge-
meine Bemerkungen über Technik und Geschichte der Gobelinwirkerei; von Stickereien
und Spitzen ist darin keine Rede. Auch scheint der Herausgeber auf den textilen Sonder-
charakter der von ihm zur Veröffentlichung bestimmten Gegenstände kein Gewicht gelegt
zu haben: es fehlen nicht blos autotypische Aufnahmen gänzlich, sondern es sind auch
zahlreiche Stücke, insbesondere Tapisserien, nach bloßen Umrisszeichnungen reproducirt,
an denen der Charakter der Gobelinwirkerei vollständig verloren gegangen ist. Es hat
sich also dem Herausgeber augenscheinlich nicht darum gehandelt, ältere mustergiltige
Gobelins, Stickereien _und Spitzen zu reproduciren, sondern hlos dem ausnbenden Künstler
eine Anzahl von Motiven, figürlichen oder ornarnentalen, zu beliebiger Verwerthung zur
Verfügung zu steilem. Die Vornnstellung eines Vorwortes von E. Müntz erscheint dadurch
gerechtfertigt, dass die größere Hälfte der Tafeln (54) und fast sämmtliche Abbildungen
im Texte den Gobelins gewidmet sind. RSL
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Ulm's Baumwollweberei im Mittelalter. Urkunden und Darstellung. Von
Engen Nübling. Leipzig, Duncker 8t Humblot, 1890. 8". 207 S.
M. 5.
Auf Grund der im ersten Theile des Buches abgedruckten Urkunden gibt der Ver-
fasser im zweiten Theile eine Geschichte der Ulmer Baumwollindustrie, deren Einzelheiten
auch vom Standpunkte der modernen Textilindustrie ein hohes Interesse beanspruchen
dürfen. Es handelt sich zwar hiebei fast durchwegs nur um die Herstellung glatter
Zeuge, die also streng genommen nicht in das Gebiet des Kunstgewerbes gehören; was
aber unsere volle Aufmerksamkeit verdient, sind die wirthschaftlichen Verhältnisse, die
uns im Verlaufe dieser Geschichte entgegentreten. Wir begegnen nämlich innerhalb der
Ulmer Textilindustrie bereits im 14. Jahrh. Zuständen, die mit den modernen die größte
Aehnlichkeit haben. Noch darf Jedermann im Jahre 1346 das für seinen Hausgebrauch
Nßthige selbst weben; aber dieses Betriebssystem des Hausflcißes, wie wir es heute im
Wesentlichen nur mehr im Orient antreffen, erscheint bereits damals in der deutschen
Kaufstadt auf ein sehr Geringes eingeschränkt. Handwerksmaßig wird die Leinen- und
Baumwollweberei von der Weberzunft betrieben, doch ist diese wenigstens in Bezug auf
die Baumwollweberei bei Weitem nicht ausschlaggebend. Den Hauptantheil haben an dieser
die sogenannten Giuweber, das sind Bauern der umliegenden Dörfer, die neben der
Landwirthschaft Weberei für Marlttverltauf treiben: offenbar genau die moderne mittel-