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Die Goatiimausstellung wurde am zweiten Ostertage (30. März)
Mittags l Uhr geschlossen.
Ausstellung künstlerischer Photographien. Im k. k. Oesterr,
Museum für Kunst und Industrie wurde am 4. d. M. Vormittags um
ii Uhr die vom Club der Amateur-Photographen in Wien veranstaltete
internationale Ausstellung künstlerischer Photographien durch_lhre_ k.
und k. Hoheit die durchl. Frau Erzherzogin Marie Therese in feier-
licher Weise eröffnet. Zur Eröffnung hatten sich eingefunden: Se. Hoheit
Prinz Philipp von Sachsen-Coburg, Ihre Excellenzen die Herren
Minister Dr. Freiherr v. Gautsch, Marquis Bacquehem und Dr. Graf
Schönborn, der englische Botschafter Sir Augustus Paget, Graf
Edmund Zichy, ferner Polizeipräsident Freiherr von Kraußk der Prä-
sident der Handels- und Gewerbekammcr Isbary, Albert Freiherr von
Rothschild und andere Persönlichkeiten. Um ri Uhr erschien Ihre
k. u. k. Hoheit die durchl. Frau Erzherzogiii Marie Therese, begleitet
von lhren Excell. der Frau Obersthofmeisterin Gräfin Sch önfeld und dem
Herrn Obersthofmeister Grafen Peiacsevic h. lm Vestibule wurde Ihre
k. u. k. Hoheit von dem Museumsdirector Herrn Hofrath Ritter v. Falke
empfangen und sodann von den Herren Karl Srna, Präsident des Clubs der
Amateur-Photographen, und kais. Rath Prof. Fritz Luckhardt, Referent
und technischer Beirath der Jury, ehrerbietigst begrüßt. Ihre k. u. k. Hoheit
besichtigte die ausgestellten Photographien mit großem Interesse und
verweilte länger als eine Stunde in den Ausstellungsräumen. Die durchl.
Frau Erzherzogin hat vier künstlerisch ausgeführte Photographien aus-
gestellt; außer Concurs haben überdies schöne Obiecte ausgßäfellt Seine
k. und k. Hoheit der durchl. Herr Erzherzog Ferdinand, Großherzog
von Toscana, Ihre kön. Hoheiten die Frau Prinzessin von Wales und
Graf von Bardi. Beim Verlassen der Ausstellung gab die durchl. Frau
Erzherzogin Marie Therese höchstihrer Zufriedenheit über die Reich-
haltigkeit der Exposition Ausdruck.- Die Ausstellung bleibt blS Aflfßllßi
Juni geöffnet.
Besuoh des Museums. Die Sammlungen des Museums wurden im Monat
April von 7062., die Bibliothek von r45o Personen besucht.
Vorlesungen. Arn 19. Februar hielt Dr. Theodor Frimmel einen Vortrag über
-Das Sehen in der Kunstwissenschaftn. Der Vortragende" nahm hier das Sehen in dem
Sinne, daß neben dem physiologischen Vorgang des Sehens und neben der phsychologischen
Seite der Frage auch die logische Verwerthurig der Gesichtseindrücke berücksichtigt
wurde, die sich unmittelbar an's physische Sehen knüpft. Von der Mannigfaltigkeit der
verschiedenen Arten zu sehen ging der Vortragende zunächst aus, wobei er indess sofort
Gruppen von solchen bildete, die gewisse Merkmale des Sehens gemeinsam haben, und
wobei er andeutete, was gewöhnlich an Kunstwerken betrachtet zu werden pflegt, durch
den Blick des Laien aus verschiedenen Ständen, durch den Blick der verschiedenen Künstler
und durch den von Gelehrten verschiedener Facher. Wie die Kunstgelehrten ein Kunst-
werk ansehen, wurde dann eingehend erörtert. Die Kunstgelehrten seien der Theorie
nach und zum Theile auch praktisch auf zwei Lager vertheilt. Hier standen die Aesthetiker,
dort die Kunsthistoriker. ln jedem Lager trete man mit anderem Blick und anderen
Absichten an ein Kunstwerk heran; dern Aesthetiker sei es Veranlassung zu einer psycho-
logischen Analyse des Eindruckes, den er von dem Kunstwerke empfangen habe und der
ihm den Ausspruch gut, schlecht, schon, unschbn und die Zwischenstufen und verwandten
Ausdrücke vermittelt. Dem Kunsthistoriker sei das Kunstwerk eine geschichtliche Urkunde,
deren Echtheit, Alter, Urheber und deren geschichtlichen Zusammenhang er zu studiren
habe. Er betrachte sich rein als Historiker, der in seinen Studien hauptsächlich auf
Künstler und Kunstwerke Rücksicht nimmt. Nun seien aber kunstgeschichtliche Ergebnisse
auch für die ästhetische Betrachtung von Bedeutung, weshalb die Aesthetik die Vorarbeit
der Kunstgeschichte nicht missen könne, wie denn andererseits auch der Kunsthistoriker
sich selbst im Lichte stehen würde, wenn er auf die Aesthetik keine Rücksicht nehmen
würde, indem er nur unbedeutende Kunstwerke für seine Studien auswählen und die