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armeniscber Baukunst sind uns in dem Pompeji des Trsnsltaukasus, den Ruinen der alten
Künigsstadt Ani erhalten. Besonders gut können wir hier die allmalige Verschmelzung
mit saracenischen Nationen beubachten. Im Jahre m64 fallt Ani in die Hande der
Seldschuelten. Seitdem zerstreuen sich die Armenier nach allen Himmelsrichtungen.
Die Manuscripte wurden in altester Zeit mit importirten syrischen, später mit
byzantinischen Miniaturen geschmückt. Die Figurenmalerei behielt in ihren religiösen
Darstellungen die byzantinischen Typen bei, in Profanscenen zeigt sich der orientalische
Ursprung. Dagegen entwickelt sich in der Ornamentik seit etwa dem 9. Jahrhundert
ein nationaler Stil. Die Randverzierungen setzen sich aus Palmetten zusammen und
gehen auf pcrsischesassanidische Vorbilder zurück. Die Initialbildungen weisen auf einen
Zusammenhang mit byzantinischen Mustern hin. Auffallend sind besonders die Vogel-
und bisweilen Fischverschlingungen , die ihre Analogie in vorkarolingischen Handschriften
des Abendlandes finden. Die Titelkrbnungen, welche ursprünglich byzantinische Schemata
nachbilden, werden bald saracenisch modincirt.
Unter den Colonien ausgewanderter Armenier nimmt die in Constantinopel die
erste Stelle ein. Hier liefern die Armenier die eigentlich gewerbtreibende Volksmasse.
Besonders entwickelt ist bei ihnen die Seidenrnanufaetur und die Goldstickerei. Die aus-
gestellten Paramente aus dem Besitze der Mechitharisten-Congregation in Wien liefern
dafür den besten Beleg. Die armenischen Colonien in Oesterreich: in Lemberg und der
Bukowina vermittelten früher den Transithandel. ln ihren Handschriften bewahrten sie
eine achtenswerthe Pietät für die überlieferte Ornarnentik, dagegen schlossen sie sich im
Kirchenbau an die Kunstformen, die in ihrem jeweiligen Aufenthaltsorte die maß-
gebenden waren.
Litteratur-Bericht.
Die bildenden Künste bei den Dayaks auf Borneo. Von A. R. Hein. Mit
einem Titelbilde, I0 Tafeln, 90 Textillustrationen und einer Karte.
Wien, 1890. 8". 228 S.
Das schon ausgestattete Buch ist vielleicht von symptomatischer Bedeutung als
erster Anfang einer neuen'culturgeschichtlichen, vielleicht auch kunstgeschichtlichen Rich-
tung auf dem Gebiete der Ethnographie. Diese Wissenschaft hat bisher den Sammeleifer
erweckt, alle Arten Erzeugnisse der Naturvolker (welche freilich diese Bezeichnung oft
sehr mit Unrecht fuhren) sind und werden in Museen gesammelt; man wird durch die
Vergleichung aufmerksam auf die Formen, auf die Eigenart der Ornamente, auf die
Technik, au Bekleidung, Waffen und was dergleichen mehr ist. Aus dem Sammeleifer
und dem Vergleiche durch Sehen entsteht, wie es nicht anders sein kann, die Lust
wissenschaftlicher und künstlerischer Bearbeitung. Von dieser letzteren Art der Bear-
beitung ist nun wohl das Werk des Malers und Professors A. R. Hein in seiner Grund-
lichkeit und Ausführlichkeit ein bedeutsames Zeugniss. Es beschäftigt sich mit den kunst-
lerischen Arbeiten der Dayaks, der autochthonen Bewohner Borneo's, von deren Arbeiten
sich eine bedeutende Sammlung im Naturhistorischen Museum in Wien befindet. Sie
bildete auch das Material für dieses Buch. Was die Gegenstände selbst betrifft, so liegt
das Hauptinteresse in ihrer Ornamentik, die von doppelter Art ist, einmal aus einfacheren
oder zusammengesetzteren geometrischen Figuren bestehend, zum andern aus caricatur-
artiger Verbindung mit fratzenhaften Figuren. Diese letztere Art weist darauf hin, dass
die Dayaks einen langen, wenn auch in der Hohe sehr beschrankten Culturzustand durch-
gemacht haben, auf dem sie dann stehen geblieben sind. Für unsere, d. h. europäische
ornamentsle Kunst, aus welchem Gesichtspunkt uns das Werk an dieser Stelle allein
interessirt, ist ihm wenig zu entnehmen, allein darauf ist es ia auch nicht abgesehen. Die
Frage ist, ob es hinreichend Anregung gewahrt, urn auch die Kunst anderer sogenannter
Naturvölker gleicherweise zu behandeln, und ob so sich Resultate für einen neuen Zweig
der Kunstwissenschaft ergeben. Das muss die Folge lehren. J. v. F.
l
Das elegante Wohnhaus. Eine Anleitung, Wohnhäuser außen und innen
mit Geschmack zu erbauen und anzuordnen. Von Lothar Abel. Mit
226 Abbild. Wien, A. Hartleben, 1890. 8". VI, 327 S. H. 4'4o.
Es ist gewiss sehr nützlich und erwünscht für denjenigen, der sich ein Haus
erbaut, vielmehr erbauen lasst, wenn er in den betreEenden Fragen einigermaßen Bescheid
weiß, wenn er dadurch im Stande ist, seine Wünsche und Bedürfnisse für den Archi-
tekten und den Baumeister in richtiger und klarer Weise zu formuliren. Von diesen