Aber noch nach einer anderen Richtung wird die römische Grab-
sculptur für die Folgezeit wichtig. Diese Wirkung aber geht nicht von den
römischen Grabsteinen, sondern von den Sarkophagen aus. Uns kümmert
in diesem Zusatnmenhange nicht der reiche, bald beziehungsvolle, bald
beziehungslose bildliche Schmuck, mit welchem diese Ruhestätten der
Todten versehen sind, sondern nur die Figur, welche auf dem Deckel
lagert. Diese Figur, die eine lange Geschichte hinter sich hat undauf
griechische Vorstellungsweise und griechische Vorbilder zurückgeht, stellt
den Todten, der in dem Sarkophage begraben ist, dar, nach antiker
Sitte auf das Speisebett gelagert und die Freuden des Mahles genießend,
so wie er es im Leben gewohnt war. Oft aber, besonders in der späteren
Zeit, sowie auch auf den etruskischen Aschenurnen, tritt der alte Grund-
gedanke zurück, das Speisebett wird zu einem Ruhebette und der Todte
oder die Todte liegt in tiefen Schlummer versunken, der schließlich in
weitergehender Ausführung der ursprünglichen ldee durch mancherlei
Symbole als ein Todesschlaf charakterisirt wird. Wenn nicht direct auf
solche Vorbilder, so doch wenigstens auf die durch sie gebildeten Vor-
' stellungen gehen die Grabmonumente des Mittelalters zurück, auf welchen
der Todte mit starr und steif ausgestreckten Gliedern liegend dargestellt
ist, harrend des Tages, der ihn aus seinem Schlummer zu neuem Leben
erwecken wird, entsprechend der Lehre des Christenlhums, dass erst aus
dem Tode das wahre Leben entsprießt. Baldachine wölbten sich über
die Tumba, auf welcher der Verstorbene liegt, beide reich verziert mit
tiefsinnigem und bedeutsamem Schmuck, Heiligenbildern, Scenen aus der
Geschichte des alten und neuen Testamentes - immer aber bleibt das
Grabmal ein Denkmal des Todten, bleibt die Person des Verstorbenen
der Mittelpunkt des Ganzen, dem sich das Beiwerk unterordnet als eine
sichere Gewährleistug dessen, was die Sehnsucht erhofft und die Ueber-
zeugung für gewiss hält.
Nachdem die religiös-mittelalterliche Anschauung ihren höchsten
künstlerischen Triumph in dem Grabtypus der florentinischen Früh-
renaissance gefeiert hatte, wird sie in der Hochrenaissance und der Barocke
von religiösem lndilferentismus abgelöst. Das Individuum fühlt sich
wieder selbständig und mit Selbstbewustsein führt es sich an seinen Grab-
denkmälern wieder ein, wie es im Leben war, lässt sich sitzend oder
stehend darstellen und sorgt dafür, dass allerlei Allegorien der Nachwelt
seinen Ruhm verkünden. Aber diese Allegorien fangen bald zu über-
wuchern an und drängen den zurück, um dessenwillen sie da sind; die
Figur des Verstorbenen wird immer mehr und mehr Nebensache bis
sie gänzlich verschwindet. Und so fand schließlich der Empirestil einen
wohl vorbereiteten Boden für seine Allegorien des Todes, den antiken
Genius mit der umgestürzten Fackel und die abgebrochene Säule, die
noch jetzt für manches empfindsame Gemüth das ldeal des Gräber-
schmuckes bedeuten, sowie für _sei_ne Darstellungen der Hinterbliebenen.