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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1891 / 11)

Aber noch nach einer anderen Richtung wird die römische Grab- 
sculptur für die Folgezeit wichtig. Diese Wirkung aber geht nicht von den 
römischen Grabsteinen, sondern von den Sarkophagen aus. Uns kümmert 
in diesem Zusatnmenhange nicht der reiche, bald beziehungsvolle, bald 
beziehungslose bildliche Schmuck, mit welchem diese Ruhestätten der 
Todten versehen sind, sondern nur die Figur, welche auf dem Deckel 
lagert. Diese Figur, die eine lange Geschichte hinter sich hat undauf 
griechische Vorstellungsweise und griechische Vorbilder zurückgeht, stellt 
den Todten, der in dem Sarkophage begraben ist, dar, nach antiker 
Sitte auf das Speisebett gelagert und die Freuden des Mahles genießend, 
so wie er es im Leben gewohnt war. Oft aber, besonders in der späteren 
Zeit, sowie auch auf den etruskischen Aschenurnen, tritt der alte Grund- 
gedanke zurück, das Speisebett wird zu einem Ruhebette und der Todte 
oder die Todte liegt in tiefen Schlummer versunken, der schließlich in 
weitergehender Ausführung der ursprünglichen ldee durch mancherlei 
Symbole als ein Todesschlaf charakterisirt wird. Wenn nicht direct auf 
solche Vorbilder, so doch wenigstens auf die durch sie gebildeten Vor- 
' stellungen gehen die Grabmonumente des Mittelalters zurück, auf welchen 
der Todte mit starr und steif ausgestreckten Gliedern liegend dargestellt 
ist, harrend des Tages, der ihn aus seinem Schlummer zu neuem Leben 
erwecken wird, entsprechend der Lehre des Christenlhums, dass erst aus 
dem Tode das wahre Leben entsprießt. Baldachine wölbten sich über 
die Tumba, auf welcher der Verstorbene liegt, beide reich verziert mit 
tiefsinnigem und bedeutsamem Schmuck, Heiligenbildern, Scenen aus der 
Geschichte des alten und neuen Testamentes - immer aber bleibt das 
Grabmal ein Denkmal des Todten, bleibt die Person des Verstorbenen 
der Mittelpunkt des Ganzen, dem sich das Beiwerk unterordnet als eine 
sichere Gewährleistug dessen, was die Sehnsucht erhofft und die Ueber- 
zeugung für gewiss hält. 
Nachdem die religiös-mittelalterliche Anschauung ihren höchsten 
künstlerischen Triumph in dem Grabtypus der florentinischen Früh- 
renaissance gefeiert hatte, wird sie in der Hochrenaissance und der Barocke 
von religiösem lndilferentismus abgelöst. Das Individuum fühlt sich 
wieder selbständig und mit Selbstbewustsein führt es sich an seinen Grab- 
denkmälern wieder ein, wie es im Leben war, lässt sich sitzend oder 
stehend darstellen und sorgt dafür, dass allerlei Allegorien der Nachwelt 
seinen Ruhm verkünden. Aber diese Allegorien fangen bald zu über- 
wuchern an und drängen den zurück, um dessenwillen sie da sind; die 
Figur des Verstorbenen wird immer mehr und mehr Nebensache bis 
sie gänzlich verschwindet. Und so fand schließlich der Empirestil einen 
wohl vorbereiteten Boden für seine Allegorien des Todes, den antiken 
Genius mit der umgestürzten Fackel und die abgebrochene Säule, die 
noch jetzt für manches empfindsame Gemüth das ldeal des Gräber- 
schmuckes bedeuten, sowie für _sei_ne Darstellungen der Hinterbliebenen.
	        
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