Spielzeug. Die Nebenliguren sind nicht volle Personen im Sinne dieser
Grabrnäler, sondern zunächst nur Attribute, welche der Person des Ver-
storbenen zu näherer Charakteristik beigegeben werden. Erst in jener
Phase der attischen Grabsculptur, welche das 4. Jahrhundert beherrscht,
wird das Verhältniss inniger. Jene Motive, welche den Todten in der
Beschäftigung des Lebens zeigen, erscheinen zurückgedrängt, es herrschen
die Familienbilder vor, [deren Hauptpersonen in der Regel durch den
Handschlag verbunden sind, nicht als Andeutung für den Abschied, son-
dern als ein Ausdruck unter vielen für die Liebe, mit der die Verwandten
aneinander hingen. Jetzt liegt auch über den Figuren, in ihrer Haltung
und Bewegung,-in Blick und Geberde ein milder Ausdruck von Wehmuth
-und Trauer, dessen maßvolle Art wirksamer und nachhaltiger, als jedes
stärkere Mittel es vermöchte, den Betrachtenden in die Stimmung des
Ganzen zieht.
Das Bild der griechischen Grabsculptur wäre nicht vollständig, wenn
wir nicht erwähnen würden, dass deutlicher als blos durch die Trauer
der Familienglieder auf manchen Grabsteinen eine Beziehung zum Tode
ausgedrückt ist. Wenn, um von anderen Fällen zu schweigen, auf der
Grabstele der Ameinokleia diese von einer Sclavin sich die Sandalen an-
legen lässt, so wird man das kaum als ein genrehaftes Motiv auffassen
dürfen, sondern als eine Andeutung der weiten Reise, welche Ameino-
kleia antreten muss. Voll und klar ist die hier zu Grunde liegende Idee
ausgesprochen auf dem Grablekythos der Myrrine. Hermes Psychopompos
hat die Hand der Myrrine leise ergriffen und schreitet nach links, indem
er nach ihr zurückblickt. Sie folgt gesenkten Hauptes, zögerndcn Schrittes,
aber ohne Widerstreben, ergeben in das unvermeidliche Geschick. lm All-
gemeinen aber behält auf den griechischen Grabsteinen das Thun der
Lebendigen, die schöne Freude am Dasein durchaus das Recht. Die grie-
chische Kunst löst das Problem der Grabsculptur in ihrem Sinne dadurch,
dass sie den Tod durch das Leben besiegt ").
Die griechischen Grabstelen leben aus in den römischen Grabsteinen.
Das alte Motiv, das zwei Personen durch den Handschlag verbindet, kehrt
noch wieder, aber das gewöhnliche ist die Auflösung der Gruppen in
Einzelfiguren. Die Menschen auf diesen Steinen leben nicht mehr für sich
und mit einander, sondern für den Beschauer; ihm wenden sie sich zu,
nur ligurirend, völlig handlungslos. Aber indem die römische Kunst ver-
zichtet, Bilder des Lebens zu geben, weil ihr die schöpferische Kraft
dazu fehlte, führt sie ein kunstgeschichtlich neues Element in die Grab-
sculptur ein, das seither nie aufgegeben wurde und nie aufgegeben werden
darf! die Porträtähnlichkeit, mit der sie wenigstens die äußerliche Er-
scheinung des Menschen getreulich festzuhalten weiß.
') Für die Churalncrisirung der griechischen Grabsculptur wurde u. A. ein Aufsatz
von Benndorf in den Grenzbmcn 1869 p. 24,1 E. lheilweise wonlich benützt.