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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1892 / 11)

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vielen anderen kunstgewerblichen Gebieten durchgemacht haben oder 
noch heute durchmachen. Die zahlreichen Miniaturmaler der gothischen 
Zeit verschwanden im 15. Jahrhundert und an ihre Stelle traten die 
Formschneider und Kupferstecher, die der künstlerischen, zeichnerischen 
Leistung mit der Hand jeweilig nur einmal bedurften, um auf Grund 
dessen mittels mechanischer Pressung so und so viele Abdrücke zu ge- 
winnen. Neben den vielen Tausenden von Holzschnitten und Stichen der 
letzten vier Jahrhunderte begegnen wir nur selten einer Miniatur, etwa 
einem Gebetbuche in Pergament, das sich irgend ein pietätvoller großer 
Herr hat anfertigen lassen. In unserem Jahrhundert haben nun die physi- 
kalischen Entdeckungen zur Erfindung von Verfahren geführt, welche 
noch rascher, treuer und billiger als der Kupferstich und Formschnitt 
Reproductionen von Natur- oder Kunstformen liefern. Warum sollte man 
sich diese Vortheile um eines bloßen Principes willen entgehen lassen? 
Erschien es da nicht klüger, sich rechtzeitig einen maßgebenden Einliuss 
auf die praktische Ausübung dieser neuen Techniken zu sichern und auf 
solchem Wege wenigstens die eigenen, auf dem Studium des mit über- 
wundenen Techniken hergestellten Alten basirten künstlerischen Ueber- 
zeugungen nach Möglichkeit zur Geltung zu bringen? Aus solchen 
Erwägungen heraus vollzog sich der Entschluss des k. k. Unterrichts- 
ministetiums, eine Lehr- und Versuchsanstalt für photographische Repro- 
ductionsverfahren zu begründen, und ganz ähnliche Erwägungen mögen 
es gewesen sein, die dasselbe k. k. Ministerium bestimmten, dem An- 
drängen der interessirten Vorarlberger Stickergremien nachzugehen und 
in Dornbirn eine k. k. Fachschule für Maschinstickerei zu begründen. 
Das parallele Beispiel von der Entwickelung der graphischen Re- 
productionstechniken wurde absichtlich gewählt, weil sich zwischen ihnen 
und den uns hier im Besonderen beschäftigenden Stickereitechniken auch 
sonst noch einige zutreffende Analogien finden lassen. Die Maschin- 
stickerei verhält sich nämlich zur l-Iandstickerei ungefähr ebenso_ wie 
der Formschnitt zur Miniatutmalerei. In der Handstickerei ist es die 
Nadel, in der Malerei der Pinsel, womit die menschliche Hand unmittelbar 
das Werk fertig bringt. Der Formschnitt ist dem gegenüber nichts als 
das Product eines vervielfältigten Zeichenstiftes, die Maschinstickerei nichts 
als dasjenige einer vervielfachten Nadel. Ein einmaliger künstlerischer 
Entwurf geht da und dort voraus: der Maschinsticker bedarf der künst- 
lerisch concipirten Vorlage ebenso wie der Formschneider. Die Unter- 
schiede, die sich hiebei aus der verschiedenen Höhe der gestellten künst- 
lerischen Aufgabe zwischen Sticker und Formschneider ergeben und deren 
ich mich natürlich vollkommen bewusst bin, alteriren keineswegs du also 
festgestellte Grundverhältniss zwischen beiden. 
Aber fassen wir die Stickerei in ihrem Verhältnisse zu den nächst- 
verwandten, zu den textilen Techniken inls Auge. ist denn der mechanische 
Betrieb auf textileni Gebiete in der That etwas völlig Neues, erst in
	        
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