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Fränkischer Kurier.
17. März 189;.
Noch hatten wir keine eigentliche Geschichte der modernen Malerei,
noch besassen wir kein Werk, in dem der Versuch gemacht worden
war, "die grossen Strömungen im Gebiete der modernen Malerei aus der
organischen Entwicklung der Kunst heraus zu erklären und die Quelle
aufzudecken, aus denen jene hervorgegangen sind. In dem in den ersten
Kapiteln vor uns liegenden Buche: wRichard Muther, Geschichte der
Malerei im 19. Jahrhundert: ist nicht nur der Versuch gemacht, sondern,
wie die Ausführung dieser Kapitel zeigt und wie aus dem ausführlichen
Inhaltsverzeichniss des ganzen Werkes hervorgeht, die Aufgabe in meister-
hafter Weise durchgeführt. Nicht genug zu rühmen ist es, dass der
geistreiche Verfasser bei seiner Schilderung den Horizont so weit gespannt
hat und nicht aus nationalen Gründen ein Land in den Mittelpunkt stellte,
sondern vielmehr alle gleichwerthig behandelte. So gibt er uns ein Bild
von der weit-geschichtlichen Entwickelung der Malerei in den letzten
roo Jahren.
Nicht überall vermögen wir dem Verfasser unbedingt zuzustimmen.
Aber mögen sich bei der Lektüre des ausserordentlich anregenden Kapitels
{Tradition und Freiheitm auch solche Zweifel geregt haben, so hat uns
doch die Grundstimmung und Tendenz des Buches ungemein wohlthuend
berührt. Kennzeichnet es doch klar und deutlich die Bestrebungen, von
denen die grössten unter den Malern unserer Zeit beseelt sind.
Der Verfasser ist ein feuriger Vertreter der Naturalisten. Das spricht
aus jeder Zeile, und meisterlich versteht er es, die Leser für seine Helden
zu erwärmen, ja, selbst den Widersuebenden weiss er durch die sinnliche
Gluth und den edlen Schwung der Sprache zur Bewunderung hinzureissen.