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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 5)

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bunten Völkertafel, aus deren Iris erst durch einen langen Process im 
Verlaufe der Geschichte, d. h. gleichsam vor unseren Augen, das reine 
weiße Licht der italienischen Nation und der italienischen Cultur hervor- 
gegangen ist. Noch heute blicken in der Rede des Mundes, wie im Schlag 
des Herzens und der Arbeit des Kopfes die alten Starnmesunterschiede 
durch. Wenn wir das Land von den Alpen bis zum Sund, der Sicilien 
von Afrika trennt, bereisen, so finden wir doch überall eine Menschen- 
gruppe, welche nicht nur politisch, sondern auch culturell zur Einheit 
verschmolzen ist. In der Urzeit war dies ganz anders. 
Es sind arische, nichtarische und sogar in ihrer Herkunft noch 
völlig räthselhafte Elemente an der Blutmischung des italischen Volkes 
betheiligt. Vorindogermanische Urstämme Europa's, wie die Ligurer, aus- 
gesprochene Nordvölker, wie die Kelten und Germanen, alterthümliche 
ungriechische Balkanstämme wie die lllyrier, Einwanderer dunkler Ab- 
stammung wie die Räter und Etrusker, dann ein Zweig des gräco- 
italischen Urvolkes, die Umhrer und ihre Verwandten, und noch manches 
andere Glied bilden den ethnologischen Aufbau der Halbinselbevölkerung. 
Wir sind in der Lage, alle diese-Elemente, theils sicher, theils hypo- 
thetisch, mit den Alterthümern des Landes zu verknüpfen, also die 
sprachlichen und schriftlichen Zeugnisse in den Dialekten der heutigen 
Bewohner und in den Nachrichten alter Historiker und Geographen mit 
den in reichster Fülle vorhandenen archäologischen Zeugnissen zu con- 
frontiren und dadurch einen tieferen Einblick in das Bildungsprincip 
dieser geschichtlichen Größe zu gewinnen. v 
Von den sprachlichen und schriftlichen Denkmälern soll hier nicht 
mehr die Rede sein, als unumgänglich nothwendig ist; wir haben uns ja 
mit den industriellen und künstlerischen Aeußerungen am Anfang jenes 
Processes zu beschäftigen. Allein es ist noch eine kurze Vorbemerkung 
zu machen über die verschiedene Dauer der Urzeit in den einzelnen 
Landestheilen. 
Die Verschiedenheit der Völker Italiens und die ihr zum Theil ent- 
sprechende Verschiedenheit der Länderräume, in welche Italien zerfällt, 
bringt es mit sich, dass wir die Betrachtung unseres Gegenstandes nicht 
mit einer einfachen absoluten und für ganz ltalien giltigen zeitlichen 
Grenzbestimmung einleiten können. Wir müssen neben dem absolut 
Alten auch das relativ Alte, d. h. das Alterthümliche berücksichtigen, 
wenn wir allen constituirenden Völkern und Landestheilen gerecht werden 
wollen. Das muss bei der Betrachtung prähistorischer Dinge in einem 
größeren Gebiet immer so gehalten werden. Das prähistorische Cultur- 
element, das "antichissimou, wie es in Italien neben dem vanticow häufig 
genannt wird, erscheint nicht überall gleichzeitig und geht nicht überall 
gleichzeitig zu Ende. Fassen wir einen bestimmten Zeitpunkt in's Auge, 
etwa das Jahr 550 vor dem Beginn unserer Zeitrechnung. Damals blühte 
in Unteritalien und Sizilien ein Kranz von griechischen Städten; in
	        
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