vieler Gestalten der apokalyptischen Schriften geholten Phantasiegestalten
die Stellen der Kirchenvater herangezogen werden, welche diese Gebilde
vom Teufel und den Sünden erklärten: so war der Physiologus eine
zweite Quelle dieser Erkenntniss und behauptete sich die Phantasie über-
dies durch die orientalischen seidenen Stoffe und Teppiche, die immer
wieder eine phantastische Fauna vor die Augen des Volkes brachten, ab-
gesehen davon, dass ja doch auch noch ab und zu die vorhandenen Reste
antiker Kunst zu solchen moralisirenden Darstellungen verglichen und so
gut es ging, nachgebildet wurden. Demjenigen, der diese Quellen genau
kennt und der sie hermeneutisch zu verwenden versteht, wird manches
an den Darstellungen der Phantastik klar, die in der mittelalterlichen
Kirche erscheint. Alles freilich versteht er darum noch nicht. Denn theils
ist uns die Lehrweise der mittelalterlichen Katecheten nicht bekannt
genug w), theils kennen wir die Romane, Volkserzählungen und Volks-
anschauungen noch immer viel zu wenig, welche dieser Phantastik zur
Grundlage dienten.
Draußen also vor der Kirchthür lauert der Teufel und all' sein Ge-
folge, die Sünde in ihren mannigfachen Gestalten, angefangen vom sünd-
haften Gedanken bis zum Morde und Selbstmorde: all" das soll draußen
bleiben, und dass der Christ alle slindhaften Gedanken und Begierden
draußen lasse, wird er von den Gebilden an der Pforte, wie von einem
Beichtzettel, an dieselben erinnert, damit er sich reinige, zumal so lange
dieserVorraum der Aufenthalt der Büßer war. Der Löwe, der, gewöhnlich
in Zweizahl, am Portale sich befindet, und da häufig einen Menschenkopf
zwischen den Pranken oder schon im Rachen hat, ist sicher nur der Teufel,
der über den Sünder Gewalt hat: ein rnahnendes Beispiel an den Christen,
bei der Kirche Zuflucht zu suchen, damit der Teufel nicht Gewalt erlange.
Petri Wort vom Widersacher, der wie ein brüllender Löwe herutngeht,
suchend, wen er verschlinge (r. Petri, 5, 8), wird hier direct vom Teufel
gedeutet, wie es ja auch im Btevier nicht anders verstanden wird, zumal
Petrus das Wort Juißolog gebraucht. (Solche von einem Portale der
Wiener Schottenkirche stammende zwei Löwen sind 1893 in eben dieser
Kirche eingemauert aufgefunden worden. Man vergleiche das romanische
Die griech. Uebersetzung hat: I) 01791141 wilde Thiere, b) hat: Echo, v) am.-
qivsg Sirenen, d) üußpövm Dämonen, I) dvozfwuvqon Onocenlauren, T) Ejivol. Igel.
Die Vulgala hat: H) bestiae, b) dracon, C) struthiones, d) pilosi, E) ululae,
T) sirenes.
Schon diese Verse geben eine ziemliche Anzahl phantastischer Wesen, die rhnils
mit Hilfe der Antike, lheils mit Hilfe der orientalischen Stoffe Gestaltung erhielten. Sie
alle werden schon von den Kirchenvltern als Teufelsgestalten ausgedeutet.
") Siehe Cahier, Nouv. Melang. I, 258. - Einen Einblick, jedoch für uns nicht
tiegehend genug, gewahrt das Werk: Dr. J. Baier, nDer heil. Benno, Bischof von Würz-
burgu, 1893, welcher jedoch nicht überall vom Physiologus abzuhbngen scheint, sondern
andere Quellen benutzt. (Vergl. S. 93 mit S. 6x.)