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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 11)

vieler Gestalten der apokalyptischen Schriften geholten Phantasiegestalten 
die Stellen der Kirchenvater herangezogen werden, welche diese Gebilde 
vom Teufel und den Sünden erklärten: so war der Physiologus eine 
zweite Quelle dieser Erkenntniss und behauptete sich die Phantasie über- 
dies durch die orientalischen seidenen Stoffe und Teppiche, die immer 
wieder eine phantastische Fauna vor die Augen des Volkes brachten, ab- 
gesehen davon, dass ja doch auch noch ab und zu die vorhandenen Reste 
antiker Kunst zu solchen moralisirenden Darstellungen verglichen und so 
gut es ging, nachgebildet wurden. Demjenigen, der diese Quellen genau 
kennt und der sie hermeneutisch zu verwenden versteht, wird manches 
an den Darstellungen der Phantastik klar, die in der mittelalterlichen 
Kirche erscheint. Alles freilich versteht er darum noch nicht. Denn theils 
ist uns die Lehrweise der mittelalterlichen Katecheten nicht bekannt 
genug w), theils kennen wir die Romane, Volkserzählungen und Volks- 
anschauungen noch immer viel zu wenig, welche dieser Phantastik zur 
Grundlage dienten. 
Draußen also vor der Kirchthür lauert der Teufel und all' sein Ge- 
folge, die Sünde in ihren mannigfachen Gestalten, angefangen vom sünd- 
haften Gedanken bis zum Morde und Selbstmorde: all" das soll draußen 
bleiben, und dass der Christ alle slindhaften Gedanken und Begierden 
draußen lasse, wird er von den Gebilden an der Pforte, wie von einem 
Beichtzettel, an dieselben erinnert, damit er sich reinige, zumal so lange 
dieserVorraum der Aufenthalt der Büßer war. Der Löwe, der, gewöhnlich 
in Zweizahl, am Portale sich befindet, und da häufig einen Menschenkopf 
zwischen den Pranken oder schon im Rachen hat, ist sicher nur der Teufel, 
der über den Sünder Gewalt hat: ein rnahnendes Beispiel an den Christen, 
bei der Kirche Zuflucht zu suchen, damit der Teufel nicht Gewalt erlange. 
Petri Wort vom Widersacher, der wie ein brüllender Löwe herutngeht, 
suchend, wen er verschlinge (r. Petri, 5, 8), wird hier direct vom Teufel 
gedeutet, wie es ja auch im Btevier nicht anders verstanden wird, zumal 
Petrus das Wort Juißolog gebraucht. (Solche von einem Portale der 
Wiener Schottenkirche stammende zwei Löwen sind 1893 in eben dieser 
Kirche eingemauert aufgefunden worden. Man vergleiche das romanische 
Die griech. Uebersetzung hat: I) 01791141 wilde Thiere, b) hat: Echo, v) am.- 
qivsg Sirenen, d) üußpövm Dämonen, I) dvozfwuvqon Onocenlauren, T) Ejivol. Igel. 
Die Vulgala hat: H) bestiae, b) dracon, C) struthiones, d) pilosi, E) ululae, 
T) sirenes. 
Schon diese Verse geben eine ziemliche Anzahl phantastischer Wesen, die rhnils 
mit Hilfe der Antike, lheils mit Hilfe der orientalischen Stoffe Gestaltung erhielten. Sie 
alle werden schon von den Kirchenvltern als Teufelsgestalten ausgedeutet. 
") Siehe Cahier, Nouv. Melang. I, 258. - Einen Einblick, jedoch für uns nicht 
tiegehend genug, gewahrt das Werk: Dr. J. Baier, nDer heil. Benno, Bischof von Würz- 
burgu, 1893, welcher jedoch nicht überall vom Physiologus abzuhbngen scheint, sondern 
andere Quellen benutzt. (Vergl. S. 93 mit S. 6x.)
	        
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