Portal der Wiener St. Stephanskirche.) Aehnliches bedeutet das Relief von
St. Constantin zu Völs (Eisackthal), das einen Mann darstellt, wie er
eine nackte Menschengestalt einem "bärenartigen Thiere entreißt. (Atz,
Kunstgesch. von Tirol, S. 185.) Es ist hier Christus oderein Bote Christi.
der die Seele dem Bösen abringt. Aber ich will mich in die Einzel-
heiten nicht einlassen, hat ja doch Heider in dem prächtigen Werke
nDie romanische Kirche zu Schöngrabern in Niederösterreich, 1855, ein
Vorbild und eine Quelle für die Behandlung solcher Stoffe gegeben; auch
sind die Melanges und Nouv. Mel. von Cahier Quellenwerke ersten Ranges,
was auch von den in der Revue de Part chretien (lll. Serie r885 und 1886)
niedergelegten Studien der Madame d'Ayzac über die phantastischen Thiere
und ihre Symbolik zu gelten hat. Endlich habe ich den ausgezeichneten
Aufsatz von E. Keppler i-Phantastische, scherz- und boshafte Gebilde
mittelalterlicher Kunstu im Archiv für kirchliche Kunst, 189i,
Nr. 4 u. fg., anzuziehen, weil diese meine Arbeit vielfach mit der-
selben sich berührt, ohne jedoch von mir direct als Quelle benützt zu
werden. Vielmehr erklären sich die Berührungspunkte leicht dadurch,
dass ich dieselben Quellen benützte wie Keppler, das sind: außer Lauchert
besonders Wright, a History of Caricature and Grotesque, London 1865,
und Champfleury, Historie de la Caricature au Moyen Age, Paris, und
desselben Histoire de la Caricature antique. Denn eine Belehrung über die
einzelnen phantastischen Gestalten der christlichen Kunst gehört nicht
hieher, und wenn ich hier zu den Teufelsbildern hinzufüge, dass auch andere
dem Menschen unholde Mächte, wie die gleißende und lockende, hinterher
bitter enttäuschende Welt, dass auch der bittere Tod oft als bogen-
spannender Centaur (Capitäl im Stifte Neuberg XlV., oder auch im
Museum zu Toulouse, XII. Jahrhundert, oder frlihgothisch am Thurm von
Pachten bei Saarlouis) zur Darstellung kommen, so mag diese Angabe
im Allgemeinen genügen. Um aber doch ein Weniges zu bieten, was dem
Leser interessant sei und ihn einführe in diese Phantastik, will ich das
vielumstrittene Portal von St. Stephan in Wien, soweit ich es verstehe,
ein wenig analysiren. Ich nehme für einen Augenblick an, dass die Dar-
stellungen im Architrav ober den Capitälen der eigentlichen Thor-
wandungen wirklich zusamtnengehören und erkenne in ihnen, was ich
oben schon angedeutet habe, die Aufforderung an die Besucher des Domes,
die Sünden, deren üble Früchte doch bekannt genug sein sollten, abzu-
legen, ehe man zum Altare tritt: denn Christus, der jetzt uns einlädt,
abzuschütteln die Sündenlast, wird einst als Weltrichter kommen, wie
ihn das Tympanon darstellt.
(Schluss folgt.)