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Full text: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 11)

lä 
Und wie anregend die'Uebung im Skizzieren auf die Phantasie der 
Schüler wirkt, wie viel ursprüngliches Talent schon dabei zur Erschei- 
nung kommt, davon gibt die diesjährige Ausstellung ein hocherfreuliches 
Bild. Die an unserer Anstalt gepflegten Zweige der vervielfältigenden gra- 
phischen Kunst, Radierung (Prof. Will. Unget) und Holzschnitt (Prof. 
Hecht) sehen sich naturgemäß häufig vor Aufgaben gestellt, die nicht 
in das Gebiet des Ornarnentalen oder Decorativen fallen; allein eben 
diesmal ist durch die Farbenstiche für die Jubiläums-Publication der 
Schule auf das glänzendste der Beweis geführt worden, wie auch diese 
Künste dem Kunstgewerbe dienstbar gemacht werden können. Endlich 
ist in den übrigen vorbereitenden Disciplinen, im Actzeichnen (Lehrer 
Groll), im figürlichen und ornamentalen Zeichnen (Professoren Minni- 
gerode und Hrachowina) und im Modelliren (Prof. Kühne) die- 
selbe Richtung auf das Nothwendige, das Vermeiden ermüdender Schul- 
meisterei ersichtlich. 
In diesem Urtheil stimmen alle Fachmänner, die unsere Ausstellung 
besichtigt haben, überein. 
Ueber das Phantastische und Satyrische in der 
kirchlichen Kunst. 
Von Prof. Dr. W. A. Neumann'). 
Mehr als unsere rationalistische Zeit es sich gestehen mag, ist unsere 
Kunst, nicht allein die religiöse, sondern auch die profane (und letztere 
fast mehr als die religiöse) im Banne einer phantastischen Naturgeschichte, 
von der die Handbücher, wie Brehm u. A., nichts wissen. Unsere religiöse 
Kunst hat nicht mehr viele, dem Volke verständliche Phantasiegebilde 
aufzuweisen; es sind einige Flügelgestalten: Engel, Heilige mit Flügeln, 
die vier Evangelistensymbole, die auch für die großen Propheten und 
Kirchenväter verwendet werden, die neuerdings besonders durch Professor 
Klein wieder ins Kunstdasein gerufenen beflügelten verschränkten Räder, 
der seine Jungen mit Blut speisende Pelikan, der auf brennenden Scheitern 
sitzende Phönix, dann der wohl nicht geflügelte, sondern häufig gut 
realistisch dargestellte, aber nach einer der Phantasie angehörenden 
Sage die Jungen anbrüllende Löwe und vielleicht noch ein Paar solcher 
Darstellungen, von denen wir aber, ohne allzu kühn zu sein, behaupten 
dürfen, dass das christliche Volk für sie kein Verständniss mehr hat. 
Wollte man heutzutage diesen Bilderkreis durch Wiederaufnahme mittel- 
alterlicher Gebilde vermehren, so müssten zuerst die Geistlichen in 
das Verständniss desselben eingeführt werden, von der Familie her 
haben die jungen Kleriker diese Kenntniss nicht, während im Mittelalter 
das Verständniss ein viel allgemeineres, bis in die Familie dringendes, 
') Vortrag, gehalten am I9. Junuar 1893 im k. k. Oesterr. Museum. 
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