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setzte: Es möge nicht durch lustige Worte die Zahl der Schreibfehler
vermehrt werden, frivola ne propter erret et ipsa manus. So geißelt auch
ein Miniaturist des 12. Jahrhunderts die übertriebene Musikliebhaberei
seines Abtes, aber in harmloser Weise, ein Bildchen, welches in der
MusiksAusstellung zu sehen war. Harmlos ist es, wenn im Kloster
Alpirsbach ein Lamm als Abt auf dem Stuhle sitzt, ein bekutteter Wolf
als Mönch und ein harfenspielender Bär zusammen dargestellt sind.
Und wenn es schon im Kloster heitere Leute gab, das Weltleben
kannte der Erheiterung genug. Abgesehen von den herumziehenden Musi-
kanten, welche Heiterkeit auch in's Leben des Dörfers brachten, dafür
aber auch als Schlemmer galten und im Humor selbst an Kirchenwänden
verspottet wurden (Dom zu Magdeburg: Affe als Bläser oder Geiger m),
Esel als Harfenspieler, eine Sau welche die Doppelilöte bläst, oder auch
ein Bär als Tänzer 97), so entbehrten ja auch die Mysterien, die Vorläufer
unserer Passionsspiele, nicht der derben Komik, selbst die Disputationen")
an den Universitäten waren mit solchem, nicht immer attischen Salz hie
und da gemischt und bedurften der Maßregelung; überdies gab es Zerr-
bilder kirchlicher Vereine, Narrengesellschaften, die ihre Tollheiten bis
in's Heiligthum trugen. Und endlich trug manches zu solchen satyrischen,
ja derben Kunstdarstellungen in Stein, Holz und Gemälde die Derbheit
bei, mit welcher die Prediger den Modethorheiten zu Leibe gingen.
Wenn nun die Kunst sich dieser Motive bemächtigte, immer mit
der Absicht, in heiterer Weise zu geißeln, dann entstanden wohl auch
Thierprocessionen, Bilder vvon der verkehrten Weltv, wie es die Thiere
machen würden, wenn sie zur Macht kämen. In einem Ms. des 15. Jahrhs.
im Brit. Museum (Ms. Reg. ro, E. IV) ist eine Zeichnung, wie der Jäger
zum Tode verurtheilt und gebunden auf einem Wagen sitzt; ein Hase
als Kutscher, mit Geißel bewehrt, hält den Strick, zwei Hasen ziehen den
Wagen. Im Domschatze zu Agram habe ich zwei Messbücher gesehen, sicher
von Einer Hand illustrirt; in jedem derselben findet sich die Scene gemalt,
wie Hund und Jäger, getödtet, zum Braten hergerichtet werden, durch
die Hasen. I4. Jahrhundert, Manuscript der Nationalbibliothek zu Paris:
Ochse pllügt, Bauer und Bäuerin ziehen den Pflug. Ein solches Bild
war ehemals am Tempelhause zu Metz, und im Dom zu Straßburg exi-
stirte noch 1685 eine ähnliche Procession, ja Bilder wie das zu beschrei-
bende habe ich selbst in meiner Jugend noch im Hause meines Groß-
vaters, eines Försters, gesehen. ln Straßburg handelte es sich um das
Leichenbegängniss des Fuchses; der Bär mit dem Weihwedel voran, der
Wolf ist Kreuzträger, der Hase Leuchterträger, darauf folgen die Hähne
und dann die Bahre. Der Hirsch liest Messe, der Esel singt das Evan-
") Heider, Schöngrubern, S. 108.
") Heider, n. n. O.
"j Dispuutiona de quolibet. Siehe Aschbach, Gesch. der Wiener Univers. l, S. 85,
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gelium, als Buchträger dient die Katze W). - Freilich sieht dieses Leichen-
begängniss so aus, wie eine ägyptische Darstellung im British Museum a"),
aber sicher wird Niemand die Verwandtschaft ernst nehmen. So viel ist
wahr, dass weder der alte Aegypter noch der mittelalterliche Steinmetz
im Ernste seine Religion dem Spotte preisgeben wollte, sondern dass die
harmlose Freude an der Satyre, die hinter die Thierfabel sich steckt,
eben im Herzen des Volkes sitzt und selbst durch Frömmigkeit sich
nicht abhalten lässt. Dass die ägyptische Spötterei durch das Mittel der
römischen Kunst bis in's Mittelalter hinein nachgewirkt habe, möchte ich
dem M. Champfleury nicht glauben. Oder hat die Himmelsleiter, von
welcher auch Mönche und Nonnen herabstiegen, auch ihr Vorbild in der
ägyptischen Satyre? Freilich kann man diese Thierfabel weit hinauf in's
Mittelalter verfolgen; besonders S. Zeno in Verona ist daran reich (z. B.
zwei Hähne tragen an Stricken einen todten Fuchs i"), und im Kreuz-
gange von S. Zeno (Reichenhall) ist an einem Fensterstein die Aesopische
Thierfabel nachgebildet, wie der Storch dem Wolf das Bein aus dem
Rachen holt: daneben Kaiser Friedrich der Rothbart. Darstellungen aus
der Thierfabel finden sich auch in unseren Ländern, z. B. an der Apsis
von Schöngrabern.
In Frankreich hat Philipp der Schöne die Fuchs-Procession benutzt,
um im Volke Stimmung zu machen gegen Adel und Clerus; manch' ein
Processionsbild, in welchem Thiere ihre Rollen haben, dürfte auf solche
Schaustellungen zurückzuführen sein. Denn das Volk liebt solche Satyre
sehr; aber selbst die Kirche wich solchen Darstellungen nicht aus und
stellte den Clerikern selber in den Bildern einen Spiegel hin. Ueber
Fuchsbilder, die mit dem Gedichte Reinecke Fuchs zusammenhängen,
spricht Menzel, Symbolik l, 303, und meint, dass gerade in diesen Bil-
dem die Kirche ihre freie Ansicht ausdrücke, dass zwischen den Würden
und Weihen und den Trägern derselben sie selbst zu unterscheiden wisse.
- Neben dem listigen Fuchs erscheint denn auch der Wolf, der ja selbst
(als mit Schafspelz angethan) von Christus den Pharisäern als ihr Bild
entgegengestellt wird, als Prediger (Dorn zu Freiburg i. Br.). Im Kreuz-
gange von S. Salvador zu Oviedo (Anf. des 14. Jahrh.): Wolf wird ge-
hängt, liegt auf der Bahre, ein Hahn läutet die Glocke, ein anderer
Hahn singt das Requiem.
Auch die Romane müssen herhalten. Die Lehre wAlter schützt vor
Thorheit nicht: wird wohl auch durch die Satyre dargestellt, wie Aristo-
teles auf allen Vieren kriecht und Lzfis ihm auf dem Rücken sitzt und ihn
reitet (in Miniaturen gemalt, auf Schmuckkästchen geschnitzt). Dem welt-
") Ueber die Thiermesse siehe Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1857,
Nr. e, S. 37. Ueber die Munzmzovlu bei den alten Griechen siehe Rossbach, Dämonen
der Unterwelr, im Rhein. Museum 1893, S. 599.
") Siehe Champßeury, Histoire de In Cnricature an Moyen-äge. Paris, p. 247.
") Mittheil. der Central-Commission, 1865, S. 134.
Jnhrg. 1893. 35