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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 12)

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setzte: Es möge nicht durch lustige Worte die Zahl der Schreibfehler 
vermehrt werden, frivola ne propter erret et ipsa manus. So geißelt auch 
ein Miniaturist des 12. Jahrhunderts die übertriebene Musikliebhaberei 
seines Abtes, aber in harmloser Weise, ein Bildchen, welches in der 
MusiksAusstellung zu sehen war. Harmlos ist es, wenn im Kloster 
Alpirsbach ein Lamm als Abt auf dem Stuhle sitzt, ein bekutteter Wolf 
als Mönch und ein harfenspielender Bär zusammen dargestellt sind. 
Und wenn es schon im Kloster heitere Leute gab, das Weltleben 
kannte der Erheiterung genug. Abgesehen von den herumziehenden Musi- 
kanten, welche Heiterkeit auch in's Leben des Dörfers brachten, dafür 
aber auch als Schlemmer galten und im Humor selbst an Kirchenwänden 
verspottet wurden (Dom zu Magdeburg: Affe als Bläser oder Geiger m), 
Esel als Harfenspieler, eine Sau welche die Doppelilöte bläst, oder auch 
ein Bär als Tänzer 97), so entbehrten ja auch die Mysterien, die Vorläufer 
unserer Passionsspiele, nicht der derben Komik, selbst die Disputationen") 
an den Universitäten waren mit solchem, nicht immer attischen Salz hie 
und da gemischt und bedurften der Maßregelung; überdies gab es Zerr- 
bilder kirchlicher Vereine, Narrengesellschaften, die ihre Tollheiten bis 
in's Heiligthum trugen. Und endlich trug manches zu solchen satyrischen, 
ja derben Kunstdarstellungen in Stein, Holz und Gemälde die Derbheit 
bei, mit welcher die Prediger den Modethorheiten zu Leibe gingen. 
Wenn nun die Kunst sich dieser Motive bemächtigte, immer mit 
der Absicht, in heiterer Weise zu geißeln, dann entstanden wohl auch 
Thierprocessionen, Bilder vvon der verkehrten Weltv, wie es die Thiere 
machen würden, wenn sie zur Macht kämen. In einem Ms. des 15. Jahrhs. 
im Brit. Museum (Ms. Reg. ro, E. IV) ist eine Zeichnung, wie der Jäger 
zum Tode verurtheilt und gebunden auf einem Wagen sitzt; ein Hase 
als Kutscher, mit Geißel bewehrt, hält den Strick, zwei Hasen ziehen den 
Wagen. Im Domschatze zu Agram habe ich zwei Messbücher gesehen, sicher 
von Einer Hand illustrirt; in jedem derselben findet sich die Scene gemalt, 
wie Hund und Jäger, getödtet, zum Braten hergerichtet werden, durch 
die Hasen. I4. Jahrhundert, Manuscript der Nationalbibliothek zu Paris: 
Ochse pllügt, Bauer und Bäuerin ziehen den Pflug. Ein solches Bild 
war ehemals am Tempelhause zu Metz, und im Dom zu Straßburg exi- 
stirte noch 1685 eine ähnliche Procession, ja Bilder wie das zu beschrei- 
bende habe ich selbst in meiner Jugend noch im Hause meines Groß- 
vaters, eines Försters, gesehen. ln Straßburg handelte es sich um das 
Leichenbegängniss des Fuchses; der Bär mit dem Weihwedel voran, der 
Wolf ist Kreuzträger, der Hase Leuchterträger, darauf folgen die Hähne 
und dann die Bahre. Der Hirsch liest Messe, der Esel singt das Evan- 
") Heider, Schöngrubern, S. 108. 
") Heider, n. n. O. 
"j Dispuutiona de quolibet. Siehe Aschbach, Gesch. der Wiener Univers. l, S. 85,
	            		
JÄ gelium, als Buchträger dient die Katze W). - Freilich sieht dieses Leichen- begängniss so aus, wie eine ägyptische Darstellung im British Museum a"), aber sicher wird Niemand die Verwandtschaft ernst nehmen. So viel ist wahr, dass weder der alte Aegypter noch der mittelalterliche Steinmetz im Ernste seine Religion dem Spotte preisgeben wollte, sondern dass die harmlose Freude an der Satyre, die hinter die Thierfabel sich steckt, eben im Herzen des Volkes sitzt und selbst durch Frömmigkeit sich nicht abhalten lässt. Dass die ägyptische Spötterei durch das Mittel der römischen Kunst bis in's Mittelalter hinein nachgewirkt habe, möchte ich dem M. Champfleury nicht glauben. Oder hat die Himmelsleiter, von welcher auch Mönche und Nonnen herabstiegen, auch ihr Vorbild in der ägyptischen Satyre? Freilich kann man diese Thierfabel weit hinauf in's Mittelalter verfolgen; besonders S. Zeno in Verona ist daran reich (z. B. zwei Hähne tragen an Stricken einen todten Fuchs i"), und im Kreuz- gange von S. Zeno (Reichenhall) ist an einem Fensterstein die Aesopische Thierfabel nachgebildet, wie der Storch dem Wolf das Bein aus dem Rachen holt: daneben Kaiser Friedrich der Rothbart. Darstellungen aus der Thierfabel finden sich auch in unseren Ländern, z. B. an der Apsis von Schöngrabern. In Frankreich hat Philipp der Schöne die Fuchs-Procession benutzt, um im Volke Stimmung zu machen gegen Adel und Clerus; manch' ein Processionsbild, in welchem Thiere ihre Rollen haben, dürfte auf solche Schaustellungen zurückzuführen sein. Denn das Volk liebt solche Satyre sehr; aber selbst die Kirche wich solchen Darstellungen nicht aus und stellte den Clerikern selber in den Bildern einen Spiegel hin. Ueber Fuchsbilder, die mit dem Gedichte Reinecke Fuchs zusammenhängen, spricht Menzel, Symbolik l, 303, und meint, dass gerade in diesen Bil- dem die Kirche ihre freie Ansicht ausdrücke, dass zwischen den Würden und Weihen und den Trägern derselben sie selbst zu unterscheiden wisse. - Neben dem listigen Fuchs erscheint denn auch der Wolf, der ja selbst (als mit Schafspelz angethan) von Christus den Pharisäern als ihr Bild entgegengestellt wird, als Prediger (Dorn zu Freiburg i. Br.). Im Kreuz- gange von S. Salvador zu Oviedo (Anf. des 14. Jahrh.): Wolf wird ge- hängt, liegt auf der Bahre, ein Hahn läutet die Glocke, ein anderer Hahn singt das Requiem. Auch die Romane müssen herhalten. Die Lehre wAlter schützt vor Thorheit nicht: wird wohl auch durch die Satyre dargestellt, wie Aristo- teles auf allen Vieren kriecht und Lzfis ihm auf dem Rücken sitzt und ihn reitet (in Miniaturen gemalt, auf Schmuckkästchen geschnitzt). Dem welt- ") Ueber die Thiermesse siehe Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1857, Nr. e, S. 37. Ueber die Munzmzovlu bei den alten Griechen siehe Rossbach, Dämonen der Unterwelr, im Rhein. Museum 1893, S. 599. ") Siehe Champßeury, Histoire de In Cnricature an Moyen-äge. Paris, p. 247. ") Mittheil. der Central-Commission, 1865, S. 134. Jnhrg. 1893. 35
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