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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 12)

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griechischen Mustern ebenso die egyptisehen und assyrischen nachgeahmt 
werden, so dass sich gleich zu dem Schönen die barocke Seite hinzu- 
gesellt und diese Richtung wiederum fast nur wie eine Mode erscheint. 
Doch hat sie auch so ihr Gutes, denn die antiken Muster sind nicht hlos 
in der Form von höchstem Geschmack, sondern auch von der grössten 
Reinheit und Vollendung der Arbeit, so dass ihr Studium und ihre Nach- 
bildung nothwendig den Arbeiter heben muss. Freilich sind es meist 
nur die in Rom selbst, insbesondere bei Castellani, entstehenden Nach- 
bildungen, welche den alten Originalen an Geschmack und Vollendung 
an die Seite zu stellen sind. 
Was man jetzt dergleichen aller Orten in Europa entstehen sieht, 
entbehrt insbesondere jenes überaus leichten und zierlichen Filigrane der 
Alten und entlehnt ihren Mustern nur die Hauptforrn, ohne diese durch 
hinzugefügtes feineres Ornament zum vollendeten Kunstwerk zu machen. 
Immerhin lernt die Goldschmiedekunst auch hiedurch eine reizende Fas- 
sung der Edelsteine, der geschnittenen Steine, der Miniaturporträts und 
der Mosaikbildchen. 
Was wir aber vor allem noch vermissen, das ist das Studium oder 
die Nachahmung der Goldschmiedearbeiten der Renaissance mit der 
Schönheit ihrer Formen, der Mannigfaltigkeit ihrer Technik und dem 
Rcichthum und der Eleganz ihrer Ornamente. Französische Arbeiten 
erinnern zwar oft daran, aber es waltet die naturalistisch-pbantastische 
Willkür der Franzosen dabei vor. Nur hier in Wien haben wir einen 
Goldschmied, der mit feinem Gefühl und wahrer Künstlerlust auf die rei- 
zende Hinterlassenschaft der Goldschmiedekunst des 16. Jahrhunderts 
eingeht und sich keine Mühe und Sorgfalt verdriessen lässt, bis die zier- 
liebste Fassung gelungen ist, bis die Miniaturiigürchen und die Relief- 
bilder die möglichste Vollendung erlangt, bis das Email, sei es trans- 
parent oder opak, sein schönstes Feuer zeigt. 
Aber Ratzersdorfer, der Künstler den wir meinen, welcher in 
England, Russland und Frankreich besser gekannt ist als in seinem Vati-r- 
lande, steht noch allein und muss auch für jene Länder, will er anders 
geschäftlich reussiren, seinen Kunstwerken zur Schönheit noch den täu- 
schenden Schein des Alterthums hinzuiiigen; wahrlich eine traurige Sach- 
lage, die zeigt, wie weit auch das reichere Publicum noch vom Verständ- 
niss des wahrhaft Schönen fern ist. 
Indessen ist der Anfang gemacht. Hoden wir, dass Andere dem 
gegebenen Beispiel folgen und den ausserordentlich reichen Schatz an 
den herrlichsten Goldschmiedarbeiten, der in Wien vorhanden ist und 
der ihnen nach und nach durch das österreichische Museum erschlossen 
wird, zu benützen wissen; hoffen wir aber auch, dass ein gebildetes und 
in Sachen der Schönheit und des Geschmackes aufgeklärtes Publicum
	            		
311 endlich die formlosen, barbarischen Producte einer banausischen Kunst versclxmähe und sich selber und Tisch und Tafel mit dem ziere,- was wirklich schön, reizend und gefällig ist. Neue Erwerbungen des österr. Museums. Die Sammlungen des Museums haben in den letzten Monaten vielfache Bereiche- ruugen erfahren. Die Abtheilung für Weberei ist vermehrt werden durch den Ankauf der ldestrozischen Sammlung von Wiener Mustern. Die Firma "Brüder Mestrozi" hat um die Einführung der Jaquard-Weberei in Wien die grössten Verdienste; die Samm- lung der Muster, an 40.000 der Zahl nach, ist zugleich eine Geschichte des Geschmackes jener Zweige der Weberei, die zwischen den Jahren 1790 und 1820 in Wien gepflegt und von den Brüdern Mestrozi in glänzender Weise geübt wurde. Von Sltercn Weberei- mustern erwarb das Museum eine vortretfliche Haute-lisse-Weberei von Arras (Arrnzzo), aus der Blütheleit der berühmten Manuflsctnr, der Regierungszeit Karls des Kiihnen, letzte Hälfte des XV. Jahrhunderte, und eine interessante Stickerei des XVII. Jahrhunderte auf einem h jonr gearbeiteten Netz von Silberdraht. Die Abtheilung für Goldschmiedearbeiten wurde durch zwei Niellen bereichert, Florentiner Arbeit des XV. Jahrhunderts. Es sind dies die ersten älteren Niellen, welche Eigenthnm des Museums wurden. Die zwei Silberplatten, je 2" 9'" hoch, 8'" breit, sind mit dem Mediceischen Wappen und dem Monogramm C. M. D. F. versehen, aus dem man entnimmt, dass die Esshestecke der Catharinu von Medicis gehörten. Die Zeichnung der Ornamente auf den niellirten Feldern ist von höchster Eleganz, selbstver- ständlich im Style der Renaissance. Die Abtheilung für Holzschnitswerke wurde durch eine Anzahl von Holz- reliefs aus der Renaissaneezeit, XVL, XVIL und XVlIT. Jahrhundert, meist Arbeiten von Vicenza, vermehrt. Diese Reliefs [7 Stück) sind s. g. frontamidi casse, Theile von Kästen, welche als Hochzeitsgeschenke dienten und zur Aufbewahrung von Kleidern bestimmt waren. Eine im Flachrelief gearbeitete Holztafel mit figuraler Darstellung aus dem XV. Jahrhundert, die gleichfalls in das Eigenthum des Museums übergiug, hat ein ganz be- sonderes Interesse durch die auf ihr befindlichen Cestüune-Darstellungen. Die cerauiisehe Abtheilung wurde vorzugsweise in der Rubrik „Alt-Wiener Porcellan" vermehrt und zwar durch eine Sammlung von Formenmustern in weissem Porcellan aus der aufgehobenen k. k. Percellnnfabrik. Ausserdem wurde ein Majolika- teller von Capo di monte vom Jahre 1650 und ein deutscher Apostelkrug aus dem Jahre 1635 erwerben. Die Abtheilung für Papierrnueter wurde durch eine Anzahl von gedruckten und gemalten chinesischen Papieren (Geschenk des Ben-n Fr. v. Frauenfeld) und durch eine ganze Sammlung von französischen Papiermustarn aus dem Ende des verflossenen Jahrhunderts vermehrt. Die Knnstblltter-Sammlung wurde durch eine Anzahl von Zeichnungen nach den Krystallgefiissen der Schatzkammer, ausgeführt von Herrn Teirich, und eine Reihe von Copien von Initialen und Miniaturen, welche nach den Manuscripten der kais. Hof- bibliothek unter der Leitung des Herrn Schiinbrunner angefertigt wurden, vermehrt. Eine wesentliche Bereicherung erfuhr die Ornamentstich-Snrnmluug durch Ankauf einer nicht unbedeutenden Anzahl von Ornamentstichen. darunter auch mehrerer seltener Blätter, von denen einige in den zwei gröasten ößeutlichen Kupferstichsarnxnlungen fehlen. In den nenerworbenen Blättern ist unter anderem die deutsche Schule durch M. Schön, Wohlgemntb, Aldegraver, Brentel, Mair, B. Zan; die franzö- sische durch Bayvin, Bencher, Prevost, Gillot, Watteau, die Schule von Fou- tainebleau; die niede rländiache durch G. Bosch, A. Claez, L. v. Leyden. Abraham Heck; die italienische durch Ag. Venesiano, Enea Vico, Bonasone, Marc- Autonio Baimondi. A. Schiavone, M. Tesi vertreten. Von interessanten älteren Büchern, welche für die Bibliothek erworben wurden, erwähnen wir: Du Cerceau, seltene Lecnns de perspective. Paris 1576; C. Perret, Exercitatio alphabedca, 1569; J. Ammau, Kunstbuch, 1580, u. A. m. Die Sammlung von Gypsgiissen erfuhr eine Bereicherung durch den Abguss von sieben Krystallgefissen aus der besten Renaissancezeit. Die Abformung dieser Prechtstiicka geschah mit ganz besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Gewerbeschulen und der Fabriken, denen es bekanntermaßen an Vorlagen ven Gefaasen aus der guten Renaissance fast ganz fehlt und die häufig genöthigt sind, desswegen nach
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