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kein Geheimniss, aber eine Schwierigkeit lag in der Bildung oder Zu-
sammensetzung des Wachses, und diese wird wohl von den Erzgießern,
wenn sie mit eigenen Versuchen das Richtige gefunden zu haben glauben,
als Geheimniss betrachtet. Wenn wir nach den ausgestellten Gegenständen
schließen dürfen, so ist Pönninger mit solchen Versuchen gewiss zum
Ziele gelangt, denn seine Arbeiten zeigen eine Kühnheit, eine Bravour,
eine Freiheit und Vollkommenheit, dass ein jeder, der mit der Technik
des Erzgusses einigermaßen vertraut ist, nur staunen kann. Der freiesten
Bewegung, wie sie nur immer das Wachs gestattet, ist hier das starre
Erz mit willigem Gehorsam gefolgt. Von diesem Standpunkt aus - wir
übergehen andere Vorzüge - bietet die Ausstellung Pönningers ein ganz
besonderes Interesse.
Neben Pönninger sehen wir in der Halle einen alten Bekannten und
Freund der Weihnachts-Ausstellung, den wir seit einer Reihe von Jahren
vermisst haben, A. Milde und seine Eisenarbeiten. Mit seinen in Eisen
getriebenen Maskerons und anderen ornamentalen und figürlichen Gegen-
ständen bildet er eine Specialität neben den geschmiedeten Arbeiten von
Wülhelm, von Schwarz, von A. Nehr u. a. Neu auf der Weihnachts-
Ausstellung mit ähnlichen Arbeiten kleinerer Art ist Demenego in Cortina
d'Ampezzo; sie dienen vermuthlich an diesem viel besuchten Fremden-
orte als Kaufgegenstände der Erinnerung neben den wohlbekannten Ar-
beiten in Siberliligran. Unter den Silberarbeiten sieht man auch diesmal,
wie seit einigen Jahren regelmäßig, die Firma Goldberger mit einer großen
Anzahl Gegenstände des vornehmen Haus- und Luxusgebrauches von
guten Formen, aber ohne besondere Eigenthümlichkeit. Mehr Eigenart
besitzen V. Meyers Söhne, deren Arbeiten sich am gewohnten Platze
befinden. Wir haben darunter mit Vergnügen einige Gegenstände, Jar-
diniere und zweiCandelaber, bemerkt, welche Entstehung und künstlerische
Motive jenen von der Stadt Wien der ErzherzoginMargaretha zur Vermählung
geschenkten Gegenständen verdanken. Diese Arbeiten hatten bekanntlich
mit großem Glück ihre Motive dem großen Brunnen von Rafael Donner
entlehnt.
Vom Harten und Spröden zum Weichen, vom Metall zur Stickerei -
ein etwas gewaltsamer Schritt, aber die Stickerei verdient auf unserer
Ausstellung eine bevorzugte Erwähnung. Wir erinnern uns der ersten
Ausstellung von Stickereien, welche auf unserer Weltausstellung 1873,
also gerade vor zo Jahren, stattfand. Wenn man damals denselben
künstlerischen Maßstab an die Arbeiten der weiblichen Hand angelegt
hätte, welchem die jetzige Ausstellung unterworfen gewesen, nicht ein
einziges Stück wäre aufgenommen worden. Und nicht blos die Güte der
einzelnen Gegenstände, wie ganz anders die Gesammterscheinung!
Material, Stickart, Farbe, Zeichnung, Gegenstand der Verzierung, Orna-
mente - alles total anders! Und das gilt gleicherweise von den eigent-
lichen Stickereigeschäften, wie z. B. von der in jeder Beziehung voll-
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