Stellen diese Arbeiten, verglichen mit älteren antiken Schmucksachen,
in technischer Beziehung keinen Fortschritt dar, so erheben sie sich auch
in künstlerischer Hinsicht nicht über ihre Vorgänger. Die höchst
einfachen Motive lassen sich in folgender Weise kurz zusammenfassen:
Durchwegs bildet der Stein, oder an seiner Stelle die künstlerisch gleich-
werthige Perle den Mittelpunkt. Um diesen formt der Goldschmied in
der Regel eine Rosette aus Gold und bereichert die Wirkung durch
zierliche Anhängsel in verschiedener Zahl, deren Hauptbestandtheil Perlen
bilden. Die Anhängsel sind aber nur ausnahmsweise unmittelbar an die
Rosette gefügt, meist verbindet beide Theile ein überleitendes Mittelglied,
das wir in der Beschreibung als Querstab bezeichnet haben. Es bildet
das dritte wesentliche Element dieser Schmuckstücke. Wenn dagegen blos
ein Anhängsel sich an die Rosette schließt, fehlt dieses Mittelglied, wie
bei x und 2 (Nr. 264 und die vorhergehende). Nach diesem Schema
sind nicht nur Ohrgehänge sondern auch Halsgeschmeide und sonstige
Schmuckstücke componirt.
So unbedeutend und einfach, bei aller zugestandenen Entwicklungs-
und Variationsfähigkeit die künstlerische Erfindung an diesen Arbeiten
nun auch ist, ist sie in ihrer ursprünglichen Form doch nicht römisches
Verdienst. Die mit Perlen oder Tropfen behüngte Rosette ist ein altes
griechisches Motiv. Nichtsdestoweniger hat dieser Schmuck durch die Art
der Ausführung doch vollkommen römischen Charakter gewonnen. Die
breite Anlage des Ganzen, im Gegensatze zur Subtilitlit ähnlicher grie-
chischer Arbeiten"), der hochentwickelte Sinn für das decorativ Wirk-
same, die auf alter Erfahrung beruhende Sicherheit in Bezug auf Farbe,
Form und Dimensionen, und als Letztes, aber nicht Geringates, das wie
von der Hand eines Ingenieurs eingeschobene Querstäbchen, das sind
Züge, worin wir echt römische Sinnesart erkennen. Mit richtiger Em-
pfindung hat der römische Juwelier die Mittel gefunden, dem Geschmacke
und den Bedürfnissen einer Gesellschaft richtigen Ausdruck zu geben,
welche die tonangebende in der civilisirten Welt dreier Continente war.
Er ist dahin gelangt, indem er ein Verhältniss, woran man durch Jahr-
hunderte festgehalten, nicht nur aufgegeben, sondern geradezu umgekehrt
hat. Den Stein, der beim griechischen Schmuck selten auftritt und der,
wenn es der Fall ist, nebensächlich behandelt 'wird, hat er zur Haupt-
sache gemacht. Der farbenfrische Krystall bildet den am schärfsten betonten
Theil und zugleich den Ausgangspunkt der Composition, die Goldarbeit
dagegen ist in den Hintergrund getreten. Der Gemrnenschmuck der
alexandrinischen und augusteischen Zeit hat bei dieser Umwandlung den
Uebergang gebildet. Hier schon spielte der Stein, seine Seltenheit und
schöne Farbe eine hervorragende Rolle, aber in erster Linie stand noch
das Kunstwerk des Steinschneiders mit seinem bedeutsamen Inhalt gleich-
") Vgl. z. B. die mit Edelneinen vzrsehenen Stock: unter den Funden von Kamch