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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 2)

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N61! ausgestellt. lm Saulenhofe sind ausgestellt: Kirchliche Gerlthe, in Bronze 
ausgeführt für die griechische Kirche in Kurtea d'Argis (Rumänien). - Der Saal Vll 
wurde wieder erüifnet und enthält Lack-, Buchhinder-, Lederlrbeitcn, Kleintnobiliar, 
Kunstdrucke u. dgl. m. 
Besuch das Museums. Die Sammlungen des Museums wurden im Monat 
Januar von 8x64, die Bibliothek von 2336, und die Vorlesungen von 6x1 
Personen besucht. 
Vorlesungen Am 4. Januar hielt Universitäts-Docent Dr. Moriz Hni-iies einen 
Vortrag über vKeltische Kunst und Cultur in den letzten Jahrhunderten vor Christen. 
Das erste Erscheinen eines Volkes in seinen dauernden Wohnsitzen fällt stets erheb- 
lich früher, als das erste Aufreten einer diesem Volke eigenthümlichen Cultur. Früher 
hielt man alle vorrbtnischen Bronzen für specifisch keltisch; denn die Kelten galten als 
das älteste Culturvolk Mitteleuropas, und in den nicht weiter unterschiedenen alten 
Bronzen sah man die ersten Spuren einer hoheren Cultur in diesem Gebiete. Heute 
unterscheidet man mehrere prähistorische Metallperioden, von welchen erst die letzte, die 
sogenannte z. Eisenzeit oder La Tene-Stufe, für specitisch keltisch gilt. In Westeuropa 
haben die Kelten natürlich auch Antheil an älteren Metallculturstufen, an deren Schopfung 
sie aber weniger betheiligt waren, als die lllyrier. Erst in jüngerer Zeit, etwa seit 
400 v. Chr., dringt gallische Cultur durch Eroberung in Oberitalien bis zum Apennin, 
nach Mitteleuropa bis zum Balkan und durch friedlichen Verkehr zu den Germanen Nord- 
europas vor. 
Der Vortragende schildert zunächst kurz die Physis und Psyche der keltischen 
Nation nach den Zeugnissen alter Schriftsteller, dann eine Reihe der berühmtesten Fund- 
platze keltischer Altcrthümer (La Tene und Tiefenau in der Schweiz, Alesia und Bibracte 
in Gallien) und die Verbreitung keltischer Grlberfelder in Frankreich (namentlich Dep. 
de la Marne), im Rheinland, SDddCtltSChlünd, Österreich-Ungarn, sowie germanischer 
Nekropolen der La Tene-Stuie in Norddeutschland, Dänemark und Schweden, wa sie bis 
nach Oestergotland hinaufreichen. Die Sonderung der La Töne-Funde von 'den hallstät- 
tischen verdanken wir Hans Hildebrand, die Unterscheidung von drei Entwicklungsstufen 
der erstgenannten Cultur Otto Tischler. Es folgt dann, an der Hand des Tafelwerkes 
nLa Champagne souterraine- von Morel, eine Betrachtung der Haupttypen keltischer In- 
dustrie in Watfen. Werkzeugen, Schmuck und Keramik. Die Vorzüge der keltischen 
Cultur gegenüber der hallstattischen liegen auf dem Gebiete der Technik, die in ihrer 
Richtung auf das Praktische zum erstenmale in der prähistorischen Zeit eine Art von 
modernem Charakter annimmt. Wir ünden die Töpferscheibe und den Brennofen, roiirende 
Mühlsteine in Verwendung, Münzen werden geschlagen, aber auch Spielwürfel geschnitzt, 
die Emailkunst bringt es zu erstaunlicher Vollendung, es erscheint das früher fehlende 
stilisirte Planzenornament, Fahriksmarken auf Schwertern und Beilen, ausgedehnter Bergbau 
liefert da: Material in wohl eingerichteten Werkstätten. So sehen wir, dass nicht erst 
von der römischen Eroberung, wie früher geglaubt wurde, hoher: Cultur in unseren 
Gegenden datirt, und es mag unsere Sympathie erhöhen, dass Kelten, die Schöpfer dieser 
wahrscheinlich durch italienische und orientalische Einflüsse ins Leben gerufenen Cultur, 
zugleich einen erheblichen Tlieil der ethnologische-n Basis gebildet haben, auf welcher 
die in so mancher Beziehung von gemeinsamen Banden umschlungenen Volker Oester- 
reichs, welche Sprache sie auch heute sprechen, erwachsen sind. 
I 
- Am I4. Decetnber hielt Dr. Alois Riegl einen Vortrag nüber das Ranken- 
ornamenn und am ii. und 18. v. M. Professor Hans Macht Vortrlge iüber Fertigkeit 
im Zeichnen und ihre Anwendung in der Praxisu. Diese drei Vortrage werden in den 
aMittheilungeri-i zum Abdruck gelangen. 
Litteratur- Bericht. 
Sxilfragen. Grundlegungen zu einer Geschichte der Ornamemik von Alois 
Riegl. Mit 197 Abbildungen im Text. Berlin, Georg Siemens, 1893. 
8". XlX, 346 S. M. 12. 
Der Hnupnixel -Stilfragen- und der ergänzende Untertitel nGrundlegungen zu einer 
schichte der Ornamenlikc spiegeln An und lnhelt des Buches wieder, das unter den 
gslen lilxerarischen Erscheinungen auf dern Gebiete der Kunstwissenschuft in erster 
Jnhrg. 1894. 4
	        
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