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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 9)

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Nur zu bald nach einer glänzenden Epoche wissenschaftlicher Blüthe 
stellte sich für die Kunst die rückläufige Bewegung ein. Es wuchs die 
Zahl derer, die es bequemer haben wollten, als es die Aneignung gründ- 
lichen Wissens gestatten konnte; die, nach der treHenden und kurzen 
Bezeichnung Dürer's rallein aus einem täglichen Brauchu ihre 
Arbeiten hervorbrachten. Es war unserem Jahrhundert vorbehalten, 
ein überaus großes Contingent von Zeichnern zu stellen, die im me- 
chanischen Abschreiben des Geschauten ihr einzig nothwendiges künst- 
lerisches Bildungsmittel zu finden glaubten; im Abschreiben von bild- 
lichen Darstellungen sowohl, als auch der Erscheinungsformen der Natur, 
im Falle das Letztere überhaupt an die Reihe kam, denn es war als 
allgemeiner Grundsatz die Regel verbreitet, man müsse viel, sehr viel 
copirt und nicht weniger "nach Gypsß gezeichnet haben, ehe man es 
wagen dürfe, selbständig mit Benützung der Naturformen zu arbeiten. 
Doch durfte auf keinen Fall der Kopf mit Grübeleien geplagt werden; 
alles bewusste, aus klarem Verständniss entspringende und von Ueber- 
zeugung geleitete Schaffen war als vdoctrinärt- verschrieen. 
Auf solche Weise musste wohl auch jede Anleitung auf die Er- 
mahnung zum FIeiBe beschränkt bleiben: 
wJe mehr als sich ein Künstler plagt, 
Je mehr er sich zum Fleiße zwingt, 
Um desto mehr es ihm gelingt." 
War nur diese Aneiferung beherzigt, so konnte auch die tröstliche 
Versicherung nicht ausbleiben: 
nUnd nach und nach kommt der Verstand, 
Unmittelbar dir in die Hand." 
Da trotz aller Bemühungen unter solchen Umständen das Erreich- 
bare nur in der Fähigkeit bestand, eine gewisse Summe von Aeußerlich- 
keiten in gewandter Weise nachzuahmen, so musste bei gut veranlagten 
Jüngern und Freunden der Kunst ein Missbehagen hervorgerufen werden, 
welches in zwingender Weise das Verlangen nach Abhilfe wach werden 
ließ. Man glaubte die Ursachen des Uebels allenthalben entdecken zu 
können, nur nicht dort, wo sie wirklich zu finden waren. Es machte 
sich das unbestimmte Gefühl geltend, dass es irgend welche Radicalmittel 
geben müsse, um rnit weniger Kraftäußerung ein besseres Ziel zu er- 
reichen. Es wurde bei den Arbeiten der zeichnenden Kunst nach vVor- 
theilenß gesucht, nach besonderen kleinen Mitteln und Handgriffen; in 
ihnen sollten die i-Geheimnisseu der Kunst liegen. Der Auswahl des Ma- 
terials und der Qualität desselben wurde große Bedeutung zugemessen. 
In erster Linie gewannen biebei die Fabrikanten von Zeichenutensilien 
Jede einschlägige Neuerung musste ia probirt werden, und an solchen 
Neuerungen fehlte es ja nicht. Eifrig suchte man nach den besten unter
	        
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