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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 12)

dungsarmer Ernst u. s. w. werden im Gemüthe des Beschauers 
iwidergespiegelt. Solche Eindrücke zur Geltung zu bringen, steht in der 
Macht des zeichnenden Künstlers. Er ruft sie nach seinem freien Er- 
messen hervor, wo und wie es ihm passend erscheint. 
Auf einem anderen Gebiete ist es ihm nicht ebenso gestaltet, sich 
frei zu bewegen. 
Die zahlreichen, mit kirchlichem und weltlichem Brauche in Ver- 
bindung zu bringenden Werke, die Schöpfungen, welche von liturgischen 
Vorschriften oder althergebrachtem weltlichen (Zeremoniell abhängig ge- 
macht sind, müssen innerhalb der oft streng gezogenen Grenzen entstehen, 
sollen sie überhaupt als giltig anerkannt werden. ln der Regel macht 
sich die Meinung geltend, dass hier der schöpferischen Phantasie zu 
wenig Spielraum geboten und dadurch die Thätigkeit des Entwerfenden 
in lähmender Weise beeinflusst werde. Wie wenig aber die freie SchaEens- 
und Gestaltungskraft sich durch ein wenngleich eng umschriebenes Pro- 
gramm beschränken lässt, kann Jeder ermessen, der die Gelegenheit hat, 
mehrere von verschiedenen Personen. zu gleicher Zeit durchgeführte 
Lösungen einer und derselben derartig festgesetzten Aufgabe zu ver- 
gleichen. "Oft liegt die Vermuthung nahe, es bleibe Angesichts einer 
großen Zahl stricte einzuhaltender Bedingungen keine Möglichkeit mehr 
zur Geltendmachung individueller Entwicklung. Dennoch ist es stets der 
Fall, dass die einzelnen Lösungen sich als weit von einander verschieden 
erweisen, falls sich die Zeichner nicht überhaupt an landläultige Scha- 
blonen halten und so den ihnen gewährten Spielraum freiwillig einengen. 
Ein Wappen z. B., auf das Genaueste blasonnirt, von Mehreren in je 
einem Exemplare, und zwar im Charakter einer bestimmten Zeit und in 
gleicher gegebener Größe dargestellt, wird - wenn auch von jedem Ein- 
zelnen vollkommen heraldisch richtig behandelt '- dennoch in individuell 
ganz verschiedenen Exemplaren zu Stande kommen. Der Zeichner wird 
sich daher ohne Besorgniss den Bestimmungen fügen können, welche ihm 
bei Aufgaben der eben angedeuteten, durch Ordnung und Gebrauch fest- 
gesetzten Art vorgeschrieben sind. Werden ihm nun auch solche Bestim- 
mungen mitunter von Seite der Auftraggehenden besonders zur Kenntniss 
gebracht, so kann dies um so weniger als Regel gelten, als in solchen 
Fällen das Entstehen des zu schaffenden Werkes zum mindesten in einer 
höchst schleppenden und unsicheren Weise bewerkstelligt werden könnte. 
Als von Zeit zu Zeit gegebene Verhaltungsmaßregeln werden die besten 
derartigen Mittheilungen nie für sich allein ausreichenden Nutzen stiften, 
da nur der eine Aufgabe vollkommen zu lösen im Stande ist, der ihre 
Bedingungen in seinem lnnersten fühlt und mit ihnen in zweifelaus- 
schließender Weise vertraut ist. 
Der Künstler wird also, wenn er sich den Schöpfungen der eben 
angeführten Art widmen will, außer mit vielen festgesetzten Bestim- 
mungen in Bezug auf Formen, Farben und Maße auch mit einer bedeu-
	        
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