wenn uns nicht die Bibel auch sagen würde, dass eine specielle Anordnung
Gottes das israelitische Priesterkleid geradezu neu geschaffen und bis
in's unwesentliche Detail dessen Form und Schnitt ein- für allemal fest-
gesetzt hätte. Und andererseits sehen wir, dass die Kirche in der Gegen-
wart wirkliche Vorschriften über Form und Material ihrer liturgischen
Kleider erlassen hat, und su lag es denn sehr nahe zu vcrmuthen, dass
auch der Ursprung des Messkleides auf eine ausdrückliche Anordnung
zurückgehe.
Hervorragende Liturgiker konnten auch wirklich bis auf unsere
Zeit dem Gedanken nicht völlig entsagen, dass i-Bischöfe, Priester und
Diakone schon in der ältesten Zeit eine Gewandung hatten, welche sie
von den Laien augenfällig unterschied und sie irgendwie als mittlerische
Amtspersonen charakterisirter. Und hiemit beginnen wir nach dem Ur-
sprung des Messkleides zu fragen, das heißt, wir fragen, 0b und wann
in christlicher Zeit ein Unterschied zwischen profanem und geistlichem
oder, richtiger gesagt, liturgischem Kleide sich entwickelte. In der Gegen-
wart besteht ein solcher Unterschied und er ist so groß, dass es uns
wie etwas Profanes befremdet, wenn wir an's Messkleid auch nur die
wesentlichste Forderung, dass es ein Kleid sei, unbefangen stellen.
Wir sind es gewöhnt, besonders in unseren Landen, als liturgisches
Parament zwei von den Schultern des Priesters nach vorne und rück-
wärts herabgehende, ziemlich breite, meist seidene Stofftheile anzusehen,
eine Art Kleid ohne Aermel, während von den Schultern aus die Arme
nur in das weiße Linnen der Alba, die unter dem Messkleide getragen
wird, gehüllt erscheinen. Besonders die bei unseren kirchlichen nKUDSI-
händlernu vorräthige Form besteht in einem steifen Doppellappen, dessen
Rückentheil fast ein Rechteck ist; der Vordertheil wird über die Brust
durch einwärts strebende Contouren verengt und schließt nach unten in
breiterer Rundung ab. Eine meist oblonge Oeffnung gestattet das An-
legen des Kleides über Kopf und Hals, so dass es von den Schultern
herabhängt. Dieser ganze Schnitt hat in der Profankleidung keine Parallele,
nur in Istrien haben wir einen ähnlichen, aber kurzen Ueberwurf bei der
Landbevölkerung gesehen, der aber mit unserem Messkleide natürlich
keine irgendwie geartete Berührung hat. Aber gerade diese merkwürdige
Form der Casula ist der Grund, warum wir sie aus den priesterlichen
Paramenten hervorheben, um an ihr eine liturgische Formentwicklung
zu zeigen, von umso größerem lnteresse, als der oft reiche Schmuck und
die Kunstarbeit, die sich hier zu allen Zeiten entfaltete, für den Künstler
und Kunstfreund die Frage nahelegt, den Urahn dieses Paramentes kennen
zu lernen.
Die bekannte Ableitung aus der sogenannten gothischen oder roma-
nischen Glockencasula bleibt auf halbem Wege stehen. Wir müssen hier,
wie bei fast allen Formen des kirchlichen Kunstgewerbes, um volle Klar-
heit zu erlangen, auf die älteste Zeit des Christenthumes zurückgehen,