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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 124 und 125)

Für den Kunstsammler 
Wiener Möbel des Klassizismus l 
Es hat fast den Anschein, als wöre der Früh- 
klassizismus, insoweit es sich um das damalige 
Mobiliar handelt, eine in Österreich heute 
vernachlässigte, um nicht zu sagen eine vergessene 
Epoche. Barock, Rokoko und Biedermeier sind allen 
durchaus geläufig; ia es geht sogar so weit, daß 
einem Barock- bzw. Rokokoschrank oder gar einem 
Tabernakelkasten die Bedeutung von Statussymbolen 
für kultiviertes Wohnen zukommt. Es gehört zum 
guten Ton, den einen oder den anderen oder am 
besten beide zu besitzen. Barock oder maria- 
theresianisch muß ein Möbel sein, um als 
erwerbenswert zu gelten. 
Den Grund für eine solche Einengung bildet letztlich 
die Unkenntnis über die tatsächliche Vielfalt und 
den Formenreichtum der übrigen vergangenen 
Möbelstile. Die Folge davon ist eine höchst bedenk- 
liche geschmackliche Unsicherheit. Zu ausschließlich 
wurde und wird immer noch bei ieder Gelegenheit 
vom Glanz und der Größe des Barock, seiner 
Kunst und Kultur geredet und geschrieben, während 
man viel zuwenig auch von anderen Zeiten spricht. 
Dabei wird übersehen, daß in den letzten Lebens- 
iahren Maria Theresias das Rokoko, das fälschlich - 
mit der Regierungszeit der großen Kaiserin .. ftgqfif-"JCCUJ-ßil. 
identifiziert wird, auch an ihrem Hofe bereits ' 
überholt war. Sie selbst hat für die Möblierung des 
von ihr so bevorzugten Schlosses Schloßhof, aber 
auch für andere Schlösser, umfangreiche Garnituren 
van Sitzmöbeln anfertigen lassen, die durchwegs 
dem Formenkanon des Klassizismus folgen. Sie 
gehören zu den schönsten, die wir aus jeder Zeit 
besüzen. 
Für den Stilwandel und mehr noch für die beacht- 
liche Qualitätssteigerung, die bei den Wiener 
Möbeln von Rang und Anspruch unleugbar ab den 
siebziger Jahren des lB. Jahrhunderts festzustellen 
sind, dürfte wahrscheinlich der ziemlich unvermittelt 
einsetzende französische Einfluß ausschlaggebend 
gewesen sein. Hier stoßen wir auf ein Phänomen, 
das wegen seiner Vielschiditigkeit im Rahmen 
dieser kurzen Information nur angedeutet werden 
kann 
Durch Jahrhunderte, seit der Renaissance, waren 
die Herrscherhöuser Österreichs und Frankreichs 
miteinander verfeindet gewesen. Das hatte zur 
Folge, daß der Wiener Hof, konsequent in seiner 
Gegnerschaft, auch französischen Einflüssen, 
insbesondere auf dem Gebiet luxuriöser Wohn- 
sitten und Einrichtung, ablehnend gegenüberstand. 
Das Resultat ist bekannt. Bis weit über die Mitte 
des lB. Jahrhunderts hinaus, zu einer Zeit also, da 
die Möbelkunst in Frankreich eine Blüte ohne- 
gleichen erlebte, die ihre Leistungen für ganz 
Europa beispielgebend werden ließ, wurde für den 
Wiener Hof auf diesem Gebiet nichts geschaffen, 
das sich auch nur annähernd mit den Pariser 
Erzeugnissen hätte messen können. Eine Wendung 
trat erst ein, als zunächst in der Politik, angeregt 
durch den damaligen kaiserlichen Gesandten am 
Hofe von Versailles und späteren Staatskanzler, 
Fürst Wenzel Kaunitz, endlich wieder eine 
Annäherung und schließlich sogar ein Bündnis der 
beiden Länder zustande kam. 
Kaunitz hatte sich in Paris sehr genau umgesehen 
und auch die kulturellen Belange nicht außer acht 
gelassen. Dabei war er zu der Überzeugung 
gekommen, daß die wichtigste Voraussetzung für 
das allgemein so hohe Niveau der dortigen 
dekorativen Künste in einem wohlorganisierten 
Unterricht und in der Schulung der Handwerker 
bestand. Diese Erkenntnis wußte der Staatskanzler 
sogleich nutzbringend anzuwenden, als er im Jahre 
l773 für eine Reform der Wiener Akademie der 
Künste eintrat, deren Protektor er war. Unter der 
neuen Bezeichnung: „K. k. Akademie der vereinig- 
ten bildenden Künste" umfaßte sie fünf Abteilungen, 
nämlich die für Malerei, Bildhauerei, Erzschneide- 
kunst, Architektur und Kupferstecherei. Die Ab- 
teilung für Erzschneidekunst war die Nachfolgerin 
der ebenfalls von Fürst Kaunitz im Jahre 1758 als 
Folge seiner Pariser Eindrücke angeregten „Erz- 
verschneiderschule" oder „Possier-, Verschneid- 
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