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auch bei uns wird ein volksthlimliches Kunstverständniss nicht aus
dem Raume, den die vier Wände des Scbulzimmers umschließen,
erweckt werden, weil hiefür einfach die Kräfte ermangcln und ein zur
Erreichung dieses Zieles alles Maß vernünftiger Anforderungen überstei-
gender Apparat in Scene gesetzt werden müsste - sondern es wird, urn
hier das Auslangen zu finden, die Selbstbethätigung für eine derartige
Leistung geeigneter und opferbereiter Kreise eintreten müssen. Einer
Volksakademie könnte man die in Rede stehende Angelegenheit mit Aus-
sicht auf Erfolg anvertrauen.
Nun könnte man die Frage aufwerfen: Wenn es als unmöglich,
oder doch als schwer möglich angesehen wird, die Kunstlehre als bil-
denden Gegenstand in das Programm der Unterrichtsanstalten verschie-
dener Kategorien einzuführen, weil die Kräfte für den einschlägigen
Unterricht einfach nicht aufzutreiben wären, wie will man die Cadres
werben, um einer groß gedachten, ähnlichen Unternehmung gerecht zu
werden?! Die Antwort hierauf fällt nicht schwer. Die Volksakademien
beträfen Institutionen, lediglich zur Pflege künstlerischen Verständnisses
unter selbstthätigem Hinzuthun geschaffen, also Vereinigungen, die
eigentlich nur einem kleinen Kreise von Wissens- und Uebungsfähig-
keiten dienstbar zu machen wären; sie wären im Eigentlichen mehr
Unterhaltungszirkel mit stofflich ernstem Hintergrunde. Erwägt man
nun, wie viele Kräfte, in Stil- und Kunstfragen wohl bewandert, an den
Hochschulen, Akademien, Kunstgewerbe-, Staatsgewerbe- und Fach-
schulen schon ausgebildet wurden und jährlich als Absolventen solche
Unterrichtsstätten verlassen, von denen sicherlich ein starkes Procent sich
willig dem gedachten Zwecke zur Verfügung stellen würde, um manche
Stunde der dienstfreien Zeit durch anregende Thätigkeit zu verwerthen
und so auf der Höhe erworbener Intelligenz zu bleiben, so dürfte man
an der Möglichkeit kaum mehr zweifeln, die genügende Anzahl geeigneter
Männer für die Etablirung von Volksakademien zu gewinnen. Dazu
nehme man noch die Lehrerschaft im Ganzen, und die auch bei uns
schon zahlreiche Gilde der Privatgelehrtenl
Dass die Sache Hott in's Geleise gebracht werden kann, zeigt die
Wiener Organisation, mit der man schon in die Lage kam, Ausstel-
lungen der Arbeiten von Meistern und Theilnehmern - die umfang-
reichste im k. k. Oesterreicbischen Museum für Kunst und Industrie im
Jahre 1894 - zu arrangiren, und die nur noch nicht den gewünschten
Erfolg hatte, weil das große Publicum der Unternehmung vielleicht
noch unorientirt gegenüberstand, indem die, nur aus dem engen Kreise
betriebene Propaganda, die selbst nur wieder kleinere Kreise zu in-
Huenziren vermochte, nicht wirkungsvoll genug auftreten konnte. Viele
dürfte auch das anerzogene Misstrauen in das Gelingen von etwas Neuem
veranlassen, noch zur Seite zu stehen. Die offenen Zeichensäle an
unseren Fach- und allgemeinen Handwerkerschulen, sowie an den Ge-