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hörte sie einem Geschlecht: oder mehreren, war dieses das königliche
oder nicht, so dass sich die Namen der Bestatteten bestimmen lassen
oder nicht, entspricht die Reihenfolge der Beisetzung der einzelnen Sarko-
phage deren kunstgeschichtlicher Zeitfolge oder sind die Särge für Sidon
nicht bestellt, sondern wantiquarischn erworben worden? Zu diesem
Complex von schwierigen Fragen nehmen wir hier nur insoferne Stellung,
als wir uns jener Ansicht anschließen, nach welcher die Nekropole min-
destens zweihundertundfünfzig Jahre im Gebrauche gewesen ist.
Dieser langen Dauer der Verwendung danken wir das Glück, dass
das neuentdeckte Hypogäum uns ein eigenartiges Stiick phönikischer
Culturgeschichte und ein gewaltiges Stück griechischer Kunstgeschichte
aufrollt. Mit dem Importe ägyptischer Sarkophage beginnt seine Ge-
schichte; bald tritt das Hellenenthum auf den Plan, zuerst als Handwerk
mit der Nachbildung pharaonischer Vorbilder beginnend, dann als selbst-
ständige und selbstbewusste Kunst voll einsetzend.
Die gesammten Sarkophage theilen sich in drei Hauptgruppen:
l. Die Sarkophage der bekannten ägyptischen Form, die nach einem
bei Herodot sich findenden Ausdruck uanthropoideu genannt werden, weil
der Deckel in mehr oder minder durchgeführten: Grade als liegende
menschliche Gestalt gebildet ist; 2. die Rachen, kistenartigen, schmuck-
losen national-phönikischen Theken; 3. die Sarkophage griechischer Form.
Dem ägyptischen Import gehört der erste Sarkophag an, für den,
am Anfange des 5. Jahrhunderts, die erste Grahkammer ausgehöhlt wurde.
Aus schwarzem Steine verfertigt, zeigt er auf dem Deckel ein von dem
großen ägyptischen Kopfputz urnrahmtes Gesicht. Sämmtliche Hiero-
glyphen sind weggerneißelt, um die Erinnerung an den ursprünglichen
Besitzer zu tilgen. Die directe Verwendung ägyptischer Sarkophage in
Phönikien ist kein vereinzelter Fall. Wie der unbekannte Todte unserer
Nekropole haben sich auch die Könige Tabnit, dessen Grabkammer
Hamdy Bey auffand, und Eschmunazar in ägyptischen Särgen bestatten
lassen. Bald aber eröffneten sich die Phönikier für die bei ihnen beliebte
Sarkophagform Bezugsquellen, die im religiösen Sinne scrupelfreier und
zugleich vom Zufall weniger abhängig waren. Allenthalben, wo Phönikier
sich angesiedelt haben, wurden anthropoide Sarkophage gefunden, die von
Insel-Griechen in dem schönen weißen Materiale des parischen Marmors
ausgeführt worden sind. Der Grieche bequernt sich dem ägyptischen
Schema an, um es aber nach und nach in seinem Geiste umzumodeln,
eine Entwicklung, die auch in unserer Nekropole in zwei Stufen zu ver-
folgen ist. Während an dem zweitältesten Sarkophage sich die griechische
Hand nur schüchtern verräth, hat sie an dem dritten Sarkophage einen
in Wien); Derselbe, vUeber die Grundllgen der geschichtlichen Erklärung der-Eido-
nischen Sarkophnge- (Jahrh. des "deutschen lrchäol. Instituts, 1394), und Winxer, i-Die
Sarkophnge von Sidon: (Archlol. Anzeiger [Bciblau zum Jahrbuch] 1894). j -
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