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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

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ALTE MÖBEL IM MODERNEN RAUM. EIN 
SALON DER FRAU HOFRAT B. Z. GRÖSS^ 
TENTEILS MIT ALTEN MuBELN, UNGE. 
Fahr AUS DER ZEIT UM 1800; EINGERICHx 
TET VON ARCHITEKT FRANZ MESSNER. 
A Ite Möbel aus den Jahren um 1800 herum, die sich als 
Erbstücke im Hausstande vorfinden, sind ein wahrer 
/ \ Familienschatz und verdienen als solche gehütet zu 
^ werden. Das braucht man heute niemandem mehr zu 
sagen, denn der sie hat, weiß, was er an ihnen besitzt. Von dem 
Gefühlswert, den sie als Erbstück aus Großvaters oder Lhv 
großvaters Tagen besitzen, soll darum nicht weiter die Rede 
sein. Auch diese Erkenntnis ist vielverbreitet, daß wir in ihnen 
den Vorläufer des modernen Hausrats erblicken können. Nicht 
als Vorbild zur Nachahmung, sondern als Beispiel von For^ 
men, die auf rein sachlicher Grundlage entwickelt wurden. Daß 
sie auf diese Weise sehr volkstümlich, sehr organisch und 
unserem Formgefühl sehr verwandt und darum wenig veraltet 
erscheinen, ist aus dieser Sachlichkeit zu erklären. Die Nach' 
ahmung käme aber trotzdem zu kurz. Was das Leben uns 
heute abverlangt, sind Forderungen, die doch einigermaßen 
anders lauten als vor 80 oder 100 Jahren. Seltsamerweise 
erscheint uns der alte Raum, den wir hier illustrieren, ganz 
modern. Oder umgekehrt, dieser moderne Raum erscheint 
uns alt und wohlbekannt. Nichts Fremdartiges ist da. Die 
alten Möbel sind es, und es fällt gar nicht auf, daß sie von 
einem neuen Rahmen umgeben sind, ja, daß sich auch einige 
neue Möbel in dem Raume befinden. Oder, wenn man will, 
es fällt gar nicht auf, daß der Hauptsache nach alte Möbel 
dastehen. Eine seltene Harmonie, die in mancher Beziehung 
lehrreich ist. Wer es nicht glaubt, kann es hier sehen: gute 
moderne Kunst ist gute Heimatkunst und berührt sich mit 
der volkstümlichen Tradition. Aber auch das kann man 
daraus lernen, daß dieses Resultat keineswegs durch Nach' 
ahmung erzielt wird, sondern daß es die strenge Sachlichkeit 
ist, die zu den geistig verwandten Formen führt. Noch ein 
drittes wird sichtbar. Ein ungewöhnlich feiner künstlerischer 
Takt, der zur Sache gehört. Eine diskrete Unterordnung der 
neuen Raumteile, die sich als unterwürfige Dienerinnen in 
dem Gemache bescheiden, wo die großmütterlichen Erbstücke 
Herrscherinnen sind. Dieser Raum ist ein Damensalon; in 
den weißen Vitrinen sind alte Kunstgegenstände, ungefähr 
aus derselben Zeit wie die Möbel, und in altertümlichen 
Glaskästchen kostbares Alt'Wiener Porzellan aufbewahrt — 
lauter sehr edle Ausgangspunkte für eine erlesene Unterhaltung. 
Diese neuen Raumteile sind augenscheinlich von der be' 
hutsamen Sorgfalt bestimmt, die den alten Bestandteilen 
eine uneingeschränkte Wirkung sichern will. Es ist jene 
behutsame Sorgfalt, welche die Enkelkinder für die Groß' 
eitern an den Tag legen, und von der man wünschen möchte, 
daß sie für alle Besitztümer aus jener Zeit geübt werde, im 
Großen wie im Kleinen. L. 
DIE IDEEN EINES GEBILDETEN ÜBER DIE 
KUNST SIND NATÜRLICH AUS DEM GE' 
NOMMEN, WAS DIE KUNST GEWESEN 
IST, WOHINGEGEN DAS NEUE KUNST' 
WERK DADURCH SCHÖN IST, DASS ES 
IST, WAS DIE KUNST NIE GEWESEN IST, 
UND WER ES MIT DEM MASSSTAB DES 
VERGANGENEN MISST, LEGT EINEN 
MASSSTAB AN, AUF DESSEN ÜBERWIN' 
DUNG GERADE SEINE VOLLKOMMENHEIT 
BERUHT. OSCAR WILDE.
	        
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