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und England, Dank dem fördernden Einfluss einer freieren humaneren
Auffassung des höheren weiblichen Unterrichts, die Arbeitsleistung der
Frauen eine ganz hervorragende Stellung einnimmt. Ich zweifle sehr,
dass bei den herrschenden Vorurtheilen diese Erfolge besonders hoch an-
geschlagen werden. So bedauerlich diese dem weiblichen Unterrichte
wenig geneigte Anschauung in den höheren Regionen der Unterrichts-
kreise ist, ebenso erfreulich ist es, dass in den mittleren Kreisen des
Unterrichtswesens, in Lehrerbildungsanstalten, in Vereinen zur Förderung
des Frauenerwerbes , in einzelnen Unterrichtsanstalten ein reges Streben
sich Bahn bricht, die weiblichen Arbeiten auf ein höheres geistiges Ni-
veau zu bringen und die Erwerbsfähigkeit des Frauengeschlechtes durch
die Schule zu steigern. Es wird aber nach dieser Richtung in der näch-
sten Zeit viel mehr geschehen müssen, als es bisher der Fall war. Es wird
von Lehrerinnen nicht mit Unrecht und ganz oGen geklagt, dass dern
Unterrichte für Handarbeiten in den Mädchenschulen viel zu wenig Zeit
gegönnt wird. Kaum dass dieser Unterricht für das Haus genügt, viel
weniger also für den gewerblichen Theil desselben. Auch in den Leh-
rerinnen-Bildungsanstalten wird diesem Unterrichte viel zu wenig Zeit
geschenkt. Die meiste Zeit wird für Lehrgegenstände, welche das Wissen
und die Methodik betreffen, verwendet und die geringste Zeit dem Zeichen-
unterrichte und den weiblichen Handarbeiten. Wie wichtig die weiblichen
Handarbeiten für die industrielle Bewegung sind, zeigt in Oesterreich die
Klöppelschule in ldria, in Folge deren der ganze lndustriezweig gehoben,
der ganzen sehr armen Bevölkerung ein reicher Erwerb zugeführt worden
ist. Die Klöppelschulen in Tirol werden gewiss in der kürzesten Zeit
günstige Resultate liefern und ein nicht geringer Percentsatz in dem in-
dustriellen böhmischen Erzgebirge erwartet die Befreiung von der Noth-
lage, in der sie sich jetzt befindet, von jenen Massregeln, welche eben
ergriffen werden, um die Arbeitsthätigkeit der Spitzenarbeiterinnen zu
heben. Die gewerblichen Unterrichtszweige, welche für Mädchen geeignet
erscheinen, sind relativ leichter zu bezeichnen als für das männliche Ce-
schlecht. Jedes Mädchen beschäftigt sich ja von Hause aus schon mit weiblichen
Arbeiten; es ist daher das Nähen und Sticken und das gesammte Gebiet
der textilen Kunst und die Bekleidungsindustrie das rechte Gebiet auch
für den weiblichen Unterricht in Volks- und Bürgerschulen und Industrial-
schulen. Es werden noch hinzukommen alle Arten von Cartonnage-Arbei-
ten; es ist ja bekannt, dass insbesondere feinere Cartonnage-Arbeiten
grossentheils aus Paris bezogen werden müssen, weil bei unserer weib-
lichen Jugend für diese Arbeiten, welche eine gewisse Geschmacksbildung
verlangen, nicht hinlänglich geschulte Kräfte vorhanden sind. Das Blumen-
malen und die Fabrication von künstlichen Blumen, das Malen auf Por-
cellan, die Fayence- und Emailmalerei, die Decorationsmnlerei auf Holz
oder Stoffe sind lauter Zweige der Industrie, welche vorzugsweise für
das weibliche Geschlecht geeignet sind, auf welche die Schulmänner und
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