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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1891 / 6)

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Es lässt sich mit den beiden hiebei in Betracht kommenden primitiven 
Techniken - Wirkerei und Knlipfung - schlechterdings nichts voll- 
endeteres herstellen, und auch die Ausführung der Zeichnung, sowie die 
reiche und glänzende Farbengebung stehen diesem Eindrucke nicht ent- 
gegen. Wo und in welcher Zeitperiode haben wir nun dieses Genre 
unterzubringen? 
Die Frage ist lehrreich für den dermaligen Stand der orientalischen 
Kunstgeschichte überhaupt, und verdient daher mit einigen besonderen 
Worten besprochen zu werden. Die drei vVollteppiche zeigen blos die 
gewöhnlich für persisch angesehenen wellig verlaufenden Ranken mit 
Palmetten, von Inschriftkartuschen oder von Vögeln durchsetzt, der 
Lobanowteppich außerdem die gewöhnlichen Thiere und chinesische 
Drachenpaare, - ein weit verbreitetes Decorationsgenre, dessen Uebung 
offenbar mehrere Jahrhunderte umfasst. Beim Jagdteppich befinden wir 
uns aber in einer ganz seltenen Lage, da uns an demselben profane 
figürliche Darstellungen entgegentreten, wie an keinem anderen bisher 
bekannt gewordenen Teppich. Reich costümirte Reiter, kniende Bogen- 
schützen geben uns ein willkommenes Material an die Hand, um auf 
Grund der Typen und Costlime eine genauere Bestimmung zu treffen. 
In der That finden sich ganz in der gleichen Weise costlimirte Reiter, 
in Miniaturmalerei ausgeführt, in persischen Handschriften der neueren 
Zeit; die Kunsthistoriker unter den Orientalisten haben aber bisher diesen 
Dingen leider noch zu wenig Beachtung geschenkt, so dass wir Mangels 
der nothwendigen Vorarbeiten außer Stande sind, das gegebene costüm- 
geschichtliche Material nutzbringend zu verwerthen. Ferner findet sich im 
Escurial eine Handschrift, die augenscheinlich nicht blos die costümirten 
Reiter der Jagdteppiche, sondern dieselbe Jagddarstellung selbst in Miniatur- 
malerei enthält, und die einem Sicilianer Namens Ibn Zafer zugeschrieben 
wird. Ein mohammedanischer Sicilianer ist nun nach dem Zusammen- 
bruch der Stauferherrschaft nicht gut zu denken, und müsste, wenn 
obige Zuweisung richtig ist, die Handschrift spätestens im 13. Jahrhundert 
geschrieben sein. Welche einschneidende Consequenzen die Bestätigung 
dieses Sachverhaltes zur Folge hätte, liegt auf der Hand; aber auch 
diesbezüglich spähen wir vergeblich und rathlos nach Auskunft von Seite 
der orientalischen Kunstgeschichtsschreibung. Glücklicherweise bieten die 
wohldatirten Metallarbeiten des 13. und 14. Jahrhunderts eine Handhabe 
zu einer vergleichenden Betrachtung, die im nächsten Bande des Jahr- 
buchs der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 
durchgeführt werden wird. 
Hier bietet sich auch Gelegenheit, auf das lrrthümliche der all- 
gemein verbreiteten Meinung aufmerksam zu machen, als ob die mit 
Gold und Silber durchwirkten Teppiche nicht als Bodenbelag, sondern 
nur als Wandteppiche gedient hätten. Man hat nämlich aus diesem 
Grunde den eben besprochenen Jagdteppich als Wandteppich erklären
	        
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