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Es lässt sich mit den beiden hiebei in Betracht kommenden primitiven
Techniken - Wirkerei und Knlipfung - schlechterdings nichts voll-
endeteres herstellen, und auch die Ausführung der Zeichnung, sowie die
reiche und glänzende Farbengebung stehen diesem Eindrucke nicht ent-
gegen. Wo und in welcher Zeitperiode haben wir nun dieses Genre
unterzubringen?
Die Frage ist lehrreich für den dermaligen Stand der orientalischen
Kunstgeschichte überhaupt, und verdient daher mit einigen besonderen
Worten besprochen zu werden. Die drei vVollteppiche zeigen blos die
gewöhnlich für persisch angesehenen wellig verlaufenden Ranken mit
Palmetten, von Inschriftkartuschen oder von Vögeln durchsetzt, der
Lobanowteppich außerdem die gewöhnlichen Thiere und chinesische
Drachenpaare, - ein weit verbreitetes Decorationsgenre, dessen Uebung
offenbar mehrere Jahrhunderte umfasst. Beim Jagdteppich befinden wir
uns aber in einer ganz seltenen Lage, da uns an demselben profane
figürliche Darstellungen entgegentreten, wie an keinem anderen bisher
bekannt gewordenen Teppich. Reich costümirte Reiter, kniende Bogen-
schützen geben uns ein willkommenes Material an die Hand, um auf
Grund der Typen und Costlime eine genauere Bestimmung zu treffen.
In der That finden sich ganz in der gleichen Weise costlimirte Reiter,
in Miniaturmalerei ausgeführt, in persischen Handschriften der neueren
Zeit; die Kunsthistoriker unter den Orientalisten haben aber bisher diesen
Dingen leider noch zu wenig Beachtung geschenkt, so dass wir Mangels
der nothwendigen Vorarbeiten außer Stande sind, das gegebene costüm-
geschichtliche Material nutzbringend zu verwerthen. Ferner findet sich im
Escurial eine Handschrift, die augenscheinlich nicht blos die costümirten
Reiter der Jagdteppiche, sondern dieselbe Jagddarstellung selbst in Miniatur-
malerei enthält, und die einem Sicilianer Namens Ibn Zafer zugeschrieben
wird. Ein mohammedanischer Sicilianer ist nun nach dem Zusammen-
bruch der Stauferherrschaft nicht gut zu denken, und müsste, wenn
obige Zuweisung richtig ist, die Handschrift spätestens im 13. Jahrhundert
geschrieben sein. Welche einschneidende Consequenzen die Bestätigung
dieses Sachverhaltes zur Folge hätte, liegt auf der Hand; aber auch
diesbezüglich spähen wir vergeblich und rathlos nach Auskunft von Seite
der orientalischen Kunstgeschichtsschreibung. Glücklicherweise bieten die
wohldatirten Metallarbeiten des 13. und 14. Jahrhunderts eine Handhabe
zu einer vergleichenden Betrachtung, die im nächsten Bande des Jahr-
buchs der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses
durchgeführt werden wird.
Hier bietet sich auch Gelegenheit, auf das lrrthümliche der all-
gemein verbreiteten Meinung aufmerksam zu machen, als ob die mit
Gold und Silber durchwirkten Teppiche nicht als Bodenbelag, sondern
nur als Wandteppiche gedient hätten. Man hat nämlich aus diesem
Grunde den eben besprochenen Jagdteppich als Wandteppich erklären