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Full text: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1891 / 6)

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weil die Absichtlichkeit sich nicht leicht verbergen ließ. Unter dem 
Wenigen aber befinden sich einzelne Porträts von einer edlen Einfachheit, 
Ruhe und Vollendung, dass man, von der fehlenden Farbe abgesehen, 
an die großen Meister des Porträts erinnert wird. 
Diese Engländer und ihre Richtung bilden das Neue und in diesem 
Sinne auch das Interessanteste der gegenwärtigen Ausstellung, aber bei 
Weitem nicht das Einzige. Die Sichtung ist so streng ausgefallen, dass, 
wie gesagt, Alles gut ist. Den Engländern stehen stimmungsvolle Land- 
schaften aus Oesterreich in Menge zur Seite, desgleichen Genrebilder, 
auch wohl einzelne, aber wenige Porträts. - In figürlichen Studien hat 
Paris reizende und bildlich vollkommene Photographien gesendet; eine 
große Anzahl vortreiTlicher Genrebilder sind die Arbeiten einer italieni- 
schen Dame. - Thierstücke gibt es zahlreich und charakteristisch, das 
Thier selbst in seiner ureigenen Natur porträtartig dargestellt, nicht wie 
vor zwei Jahren in allerlei kühnen Situationen, welche nur die Schärfe 
der Momentaufnahmen beweisen sollten. -- Der Katalog nennt die Namen 
der Aussteller, unter denen sich viele aus der höchsten Gesellschaft, viele 
von berühmtem Klange befinden. Wir zählen sie nicht auf, da wir nur 
eine so interessante Ausstellung im Museum nicht ohne einige Worte 
wollten vorübergehen lassen, und insbesondere es uns darum zu thun 
war, von der neuen und so bedeutungsvollen Erscheinung in der Photo- 
graphie unscren Lesern Mittheilung zu machen. 
Die Ausstellung orientalischer Teppiche im k. k. 
Oesterr. Handelsmuseum. 
Von Alois Riegl. 
Auf den ersten Blick mag es wunderlich erscheinen, dass ein kunst- 
gewerblicher Gegenstand von so allgemeiner Beliebtheit und vielseitigem 
Interesse, wie der orientalische Teppich, auf dieser Ausstellung zum ersten 
Male einem europäischen Publicurn in einer größeren Anzahl von Exem- 
plaren vor Augen geführt wird. Die Thatsache erklärt sich aber, sobald 
man die verwaltende Grundtendenz unseres Ausstellungswesens seit fünf- 
undzwanzig Jahren in's Auge fasst. Die retrospectiven Ausstellungen kunst- 
gewerblicher Erzeugnisse, wie sie von unseren Museen veranstaltet worden 
sind, galten alle im letzten Grunde einem eminent praktischen Zwecke: 
durch den Hinweis auf die Vorzüge älterer Arbeiten belehrend, anregend 
und fördernd auf das moderne Schaffen einzuwirken. Solcher Zweck hatte 
aber beim orientalischen Teppich schlechtweg, d. i. beim Knüpfteppich 
keine Geltung: sowie dieser bisher eine Specialität des Orients gewesen 
ist, wird er es umsomehr in künftigen Zeiten bleiben, weil schon rein wirth- 
schaftliche Gründe seine Herstellung in großem MaBstabe im industrie- 
gesättigten Europa unmöglich machen. Versuche sind zwar da und dort 
7.
	        
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