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hartem Kampfe für Religion und Freiheit unbewusst die Existenzberech-
tigung auch auf dem Gebiete der Kunst erobert hat. Das Treiben der
unteren Stände in ihres Lebens Mühsal, aber noch mehr in ihrer über-
schäumenden lauten Freude bei Tanz und Gelage wird nach der Periode
der großen Historienbilder von den Malern mit besonderer Vorliebe ge-
pflegt und die Schabkunst sorgt rasch und billig für die Verbreitung
solcher Suiets, bis allmälig die Ausartung, wie auf allen Gebieten, so
auch hier Platz greift und vielfach eine ikonographische Schandlitteratur
producirt, welche kaum der Besichtigung werth, geschweige denn aus-
stellungsfähig ist.
S0 weit ist es bei Wall. Vaillant noch nicht gekommen und man
kann mit Vergnügen sein Oeuvre durchblättern, nur bedauernd, dass
seine Schabblätter unter einer zu großen Schwärze des Gesammteindruckes
leiden. Es fehlt denselben noch jener unsagbare Duft der zartesten Ueber-
gänge und Modellirungen, welche erst durch eine Erfindung seines Lands- '
mannes Abraham Blooteling (T ca. 1695) ermöglicht wurde. Vielleicht
hat diesen sein künstlerisches Empfinden gedrängt, dieselbe lichte Klar-
heit, welche seine Kupferstiche auszeichnet, auch in der Schabkunst an-
zustreben, und er erfand den noch heute für die Aufrauhung
der Platte üblichen Granirstahl oder das Wiegmesser. Mit
der geraden Feile und der Roulette der früheren Meister war eine Lei-
stung, wie sein wunderbares Bildniss des Bürgermeisters Beweringk von
Gouda (Nr. 35) und so viele andere seiner x28 Schabblätter einfach nicht
zu erreichen. Von jetzt an war aber für die Schabkunst alle Schwierig-
keit in Bewältigung des Materiales beseitigt und der Weg zur Voll-
kommenheit geölTnet. Es ist begreiflich, dass Blooteling zunächst in seiner
Heimat große Nachfolge fand, seitdem er sich nach mehrjährigem Aufent-
halte in England wieder in Amsterdam niederließ. Bald versuchte sich
eine große Anzahl von Genremalern selbst in rascher Wiedergabe ihrer
eigenen Compositionen, und zwar manche von ihnen, wie die beiden
Verkolje, mit größtem Geschick. Außer diesen wären noch Hon de-
koeter, Jan und Paul van Sommer, Huchtenburg und dessen
Schüler Dirk Maas, sowie Cornelis Dusart zu nennen, von denen auch
charakteristische Blätter in genügender Zahl ausgestellt sind.
Noch größer wurde natürlich die Zahl der fachmännischen Kupfer-
stecher, welche sich nun der beliebt gewordenen Schabkunst zuwandten,
und viele von ihnen haben sich, reichen Erfolges sicher, zugleich als
rührige Drucker und Verleger etablirt.
Der fruchtbarste holländische Schabkünstler ist Jacob Gole in
Amsterdam gestorben 1730 oder 1737. Von ihm allein stammen über io_o
geschabte Bildnisse, Folgen von Predigern und Gelehrten, Künstlerpor-
träts (Rembrandt Nr. 7x) und treffliche Genres nach verschiedenen
Meistern; weniger gelungen sind dagegen seine allegorischen Folgen
eigener Erfindung, wie die Sinne, Welttheile, Elemente, freie Künste etc.,