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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 17)

denen die ererbten Formen und Gedanken nicht mehr ausreichen wollten, 
z. B. Ehrengesehenke für verdiente Männer u. dgl. In solchen Fällen 
traten denn auch alle die Irrfahrten der Stilsucher, wie sie an der Tages- 
ordnung waren, in der Goldsehmiedekunst hervor: Griechenthum, mittel- 
alterliche Romantik, Naturalismus spielten durch einander. Ein sprechen- 
des Beispiel davon wurde uns vor wenigen Monaten im österreichischen 
Museum vor Augen gestellt, zwei kolossale Silbergeräthe, die einem um 
Böhmen hochverdienten Manne, dem Grafen Chotek, alldort von Stadt 
und Land verehrt wurden. Das eine war eine griechische Thonvase in 
Silber nachgeahmt, das andere die Erfindung eines hochgestellten, nam- 
haften Malers, ein wundersamen; Gemisch, das alle Stilarten, welche den 
Leuten damals im Kopfe spnkten, zugleich zur Darstellung brachte. Am 
Fuss einer kolossalen Eiche. die wieder ihrerseits aus conventionellem 
Fussgestell herauswuchs, sassen eine Anzahl allegorischer Figuren, die 
in ihrer künstlerischen Haltung das Griechenthum vertraten. Der Baum 
selbst war naturalistisch gearbeitet, doch so, dass die Krone von Zweigen 
und Blättern von wahrhaft kindischer, hlecherner Ausliihrnng war und 
Blätter, Stamm und Figuren in vollständigem Missverhältniss der Grösse 
standen. Ueber diesem Eichenwipfel erhob sich wieder, daraus hervor- 
wachsend, ein gothisches Gebäude, etwa in der Art des Königstuhls zu 
Rense, als ob der Baum zur Architektur ausgewachsen wäre. _ 
Solche Beispiele der irrenden Stilsucherei liessen sich manche an- 
tTihren, doch blieb die Goldschmiedekunst vielleicht mehr davon verschont 
als andere Zweige der Kunstindustrie. Dafür aber machte sich in ihr 
der Naturalismus nur um so breiter und schien beinahe das ganze Gebiet 
als einzige Kunstweise - denn Stil kann man ihn nicht nennen -- 
occupiren zu wollen. Seine Eigenthümlichkeit besteht darin, dass er ent- 
weder conventionell gestaltete Bildungen der Gefasse , Gerathe oder 
Schmucksachen mit einem Ornament überzieht, welches aus möglichst 
getreu copirten Naturgebilden besteht, oder dass er diese Naturcopien, 
seien sie nun dem Ptlanzen- oder dem Thierreich oder auch der Menschen- 
welt entnommen, an die Stelle der berechtigten Formen setzt. Wir wollen 
dem Ornarnentisten nicht das Studium der Natur verschliessen, im Gegen- 
theil lrt sie wenigstens eine Quelle, woraus er schöpfen muss, aber 
dieses naturalistische Verfahren, von allen anderen Uebelständen abgesehen, 
ist und soll nichts sein als eine Copie und führt daher zum Verderben 
der Kunst. 
In Folge dieser neuen Kunstweise wurde nun die Goldschmiedekunst 
zu einem wahren Thiergarten und belebte sich mit Eulen, Füchsen, Pfer- 
den, Hunden, Hirschen u. s. w., die als Näpfe, als Gefasse für Senf, 
Pfeffer und Salz, als Trinkgeschirre und zu vielen anderen Gegenständen 
höchst passende Verwendung fanden; Löffel waren nicht mehr LöEel, 
sondern Blumen, Znckerdosen wurden blumengekrönte Pflanzen, Leuchter
	        
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