""31- MITTHEILUNGEN WEN-
Vierter Jahrgang. d e s 15. October 1868.
k. k. österr. Museums für Kunst ä Industrie.
(Monatschrift für Kunst 8a Kunstgewerbe.)
(Am 15. einen jeden Monats erscheint eine Nummer. - Abonnementspreis per Jahr 3 ü. ö. W.
Redaeteur Dr. G. Thu. Expedition von C. Gerolfs Sohn. Man abonnirt im Museum, bei
Gemld k Camp" durch die Postanstalwn, sowie durch alle Buch- und Kunsthandlungeu.)
1 nun m. Kunsllxhen Wien: im um m61. - Snhluuherinhl über die Beichuuhergor Ausstellung. -
m. kunxugewcrhliche Aussvullung m Prag, - Klonen Mlhheiluugeu.
Das Kunstleben Wiens im Jahre 1867.
Aus dem "Berichte über den Handel, die Industrie etc. in Nieder-Oesterreich während
des Jahres 1867, erstattet von der Handels- und Gewerbekammer in Wien."
(Wien, bei Sommer, 1868.)
Die Geschichte aller Zeiten zeigt den grossen EinHuss, welchen die
eigentliche Kunst auf Kunstgewerbe und Industrie nimmt, und die Erfah-
rungen, welche Wien speeiell in den letzten Jahren gemacht hat, sind ganz
geeignet, diese Thatsache zu bestätigen. Diejenigen, welche es mit der Ent-
wicklung der österreichischen Industrie ernst meinen. und welche wissen,
dass die Schönheit der Waare nicht blos dazu beiträgt, den Preis dersel-
ben bedeutend zu erhöhen, sondern auch den Markt für diese Waaren zu
sichern und zu erweitern, müssen daher den Gang der Entwicklung der
Kunst aufmerksamen Auges beobachten.
Auf dem Gebiete der eigentlichen Architektur und insbesondere
der Monumentalarchitektur steht Wien gegenwärtig an der Spitze der
gesammten deutschen Kunst. Die Bauküustler, wie Ferstel, Hausen,
Fr. Schmidt und der jüngst verstorbene Van der Nüll, nehmen unter
ihren Fachgencssen in Europa einen ersten Rang ein. Aber auch unter
jenen Architekten, welche nicht in dieselbe Kategorie zu stellen sind,
oder noch keine Gelegenheit bekommen haben, monumentale Werke in
grossem Style auszuführen, gibt es Künstler von nicht gewöhnlicher Be-
gabung und von gründlicher Fachbildung.
Es muss als ein entschiedener Vortheil für dieKunst undKunstinclu-
lilie Wiens bezeichnet werden, dass diese Künstler verschiedene Stylrich-
tllngen beherrschen, und dass dieselben unabhängig sind in ihrem künstleri-
schen Denken nnd Handeln von den Richtungen der Mode-Architektur
und von dem Nachahmen französischer Bauweisen. Denn es handelt sich
Weniger darum, fremde Impulse aufzunehmen, als darum, kräftig genug
zu sein, um selbstständig Impulse zu geben.
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