Wie bereits erwähnt. zerfallt das Museum in Moskau in drei Abtheilungen, fir
Kunst, Industrie und Geschichte.
Das Kunstdepartement besteht zum grossen Theile aus Reproductionen von her-
vorragend schönen Werken der bildenden Kunst. Diese Kunstgegenstände sind geordnet
nach Nationen und nach den grossen Epochen der Kunst. Sie sind in der Absicht aus-
gewählt, um den Styl und das Ornament jeder Nation und jeder Kunstperiode in ihren
hervorragendsten und besonders charakteristischen Erscheinungen darzustellen.
Die lndustrieeAbtheilnng hat wieder drei Unterabtheilungen; die erste ist jene,
welche die das Gebiet der Kunst am nächsten berührenden Gewerbe umfasst, wie Sculptur
in Stein, in Holm und Elfenbein; die Goldsehmiedenrbeiten, die Geramik, das Email, das
Ameublement u. s. f. Die zweite umfasst das ganze Gebiet der tsxtilen Arbeiten; die dritte
das Maschinenweseu.
Jede Abtheilung ohne Unterschied hat stets zwei Sectionen, wovon die eine die
Producte der älteren Fabricationen, die andere die Leistungen der Gegenwart enthält.
Die letzteren sind bereits durch eine grössere Anzahl von Musterproben ausländischer
Kunstindustrien vertreten, welche mit viel Geschmack ausgewählt wurden. V. de Bou-
tuwski wurde bei diesen Ankiiufen von den Herren Thal, Lvoff, Bennenksmpf,
A. Koumanins und besonders von Herrn Dmitry Grigorovitsch unterstützt, welcher
Letztere bei der Ausstellung in Paris voll Eifer für diese Erwerbungen thätig war und
ein feines Verständniss für Kunstwerke besitzt.
Die Handelskammer von Lyon hat dem Museum ein Dutzend Panneaux zum Ge-
schenke gemacht, deren Zeichnungen im Style Ludwig XIIL, des XIV. und XVI. ent-
worfen sind.
Die historische Abtheilung hat ein grusses nationales Interesse in der Geschichte
des russischen Ornamentes vom 9. bis 18. Jahrhundert.
Diese geschichtliche Folge ist durch Monumente der verschiedensten Art hergestellt.
Dieselben sind mit grösster Sorgfalt und Treue wiedergegeben; die einen durch Gypsguss
oder Galvanoplastik, die andern durch Farbenzeichnungen, Gravirungen oder Photographie.
Die Weltausstellung in Paris gab Gelegenheit, den Werth dieser neuen Materialien zu
beurtheilen. Diese Elemente der Geschichte des russischen Ornamente sind dort von allen
Seiten mit Eifer angesammelt worden. Die alten Cathedralen von Vladimir, von Novgorod
und Souzdal und andere nicht weniger berühmte Denkmäler haben, sowie die Manuscripte,
Emails, Niellen, Bijouterien, Schalen, Schüsseln, Waden, Rüstungen, Harnische, Stoffe,
Meuhel eine überaus reiche Ausbeute von Ornamenten ergehen. Eine besonders werthvolle
Fundgrube waren die Reliquiarien, Kleidungsstücke, Vasen und Gegenstände für den
kirchlichen Gebrauch. Es ist bereits vielfach von diesen Quellen geschöpft worden und
jeder Tag wird den Reichthum dieser seltenen Callection vermehren. Die Ehre der Ure
heherschaft dieser Sammlung gebührt dem Director Victor de Boutowski. Als Mitarbeiter
standen ihm bei dieser mühevollen Aufgabe zwei Mitglieder der Gesellschaft fiir die Pflege
der alten russischen Kunst, die Herren Filimono ff und L. Thal. zur Seite. Die Zeich-
nungen, Malereien und Gypsabgiisse sind, wie bereits früher bemerkt wurde, von den Pro-
fessoren, Zeichnern und Forruatoren der Schule Stroganod ausgeführt.
Natalis Rondot hatte in das Project für das Museum von Lyon, das er im J. 1858
über die Bitte der Handelskammer entworfen, die Herausgabe einer Publication mit auf-
genommen, welche eine Auswahl vorzüglicher Kunst- und Indnstrieobjecte aller Länder
und Zeiten enthalten sollte. In Frankreich wurde dieses Project, obwohl vielfach - u. a.
V0tbl Hyppolyte Flnndrin - mit grösster Begeisterung begriisst, nicht zur Ausführung
ge racht.
In Moskau kam es zur Durchführung, jedoch in der Einschränkung auf die russische
Kunst. Die Ornamente gehen dort aus zwei ganz verschiedenen Quellen hervor; zur einen
Hälfte aus dem occidentalischen, französischen oder deutschen Geschmack, zur anderen
Hälfte aus dem nationalen. Die ersteren folgen der ewigen Bewegung, welche in den be-
treffenden Ländern ihres Ursprungs vor sich geht, sie sind so unbeständig, wie die Moden
der Gegenwart; die andern sind im gewissen Sinne unwaudelbar. Doch haben einige davon
mehr das byzantinische, andere mehr ein asiatisches, wieder andere ein speeifisch russisches
Gepräge. Die russischen Künstler und Industriellen sind nach beiden Richtungen hin his-
her über das Copiren nicht hinausgekommen; es fehlt ihnen weder Intelligenz, noch Ge-
schicklichkeit; was ihnen mangelt, das ist die künstlerische Erziehung.
Diese Erziehung ist es, die man nun den Fabrikanten und den als Mitarbeitern ihrer
Erzeugung verwendeten Künstlerkräften ertheilen will. Die Schule allein genügt nicht;
das Museum ergänzt dieselbe und hat zugleich noch die weitem Aufgabe, in gleichem
Sinne auf das Publicum Einduss zu iiben.
Russland besitzt noch jene Traditionen, Gewohnheiten und Geschmacksrichtung, um
mit Hilfe dieser künstlerischen Erziehung die Aufmerksamkeit und die Bemühungen dar