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vertreten. _ Es sind viele Zweige der Kunstindustrie in Venedig, denen
eine gut organisirte Ornamentensehule oder Kunstgewerbeschule, welche
sieh an das Museo Correr anschliessen könnte, einen mächtigen Impuls
geben würde.
Frankreich behauptet seine hohe Stellung auf dem Gebiete der
Kunstindustrie Europe's mit grosser Eifersucht insbesondere England
gegenüber, dem einzigen Staate, von dem man sagen kann, dass er mit
vollem Bewusstsein für die grossen Aufgaben, welche die Kunstindustrie in
diesem Lande zu vollziehen hat, Hand an das Werk legt. Die Wirkun-
gen der englischen Knnstindustriehewegung verspürt Europa, Frankreich
in erster Linie und Oesterreich hat alle Ursache, die Art und Weise,
wie die Kunstindustrie in England gefördert wird, mit sorgsamem Auge
zu betrachten.
In Oesterreich ist mit der Gründung der Kunstgewerbeschule des
österreichischen Museums ein grosser Fortschritt geschehen aber man
würde sich einem grossen Irrthume hingeben, wenn man meinen würde,
damit sei alles geschehen. Wir betrachten die Gründung der Kunst-
gewerbeschule nur als den ersten Schritt, der gemacht wurde und dem
weitere unmittelbar auf dem Fusse folgen müssen, wenn die Gründung
der Schule ihre Erfolge haben soll und wenn wir gewachsen sein sollen
den Anstrengungen des Auslandes, die, wie wir anfangs bemerkt haben,
mit Rücksicht auf die kunstindustriellen Bestrebungen in Oesterreich unter-
nommen sind, um gegenüber seinen Fortschritten auf dem Gebiete der '
Knnstindustrie ein Gegengewicht zu schaffen. R. v. E.
Das neue Museum für Kunst in Amiens
(Departement de l: Sonne in nördlichen Frankreich).
Bericht des Herrn Correspondenten Dr. Wilhelm Ritter v. Schwarz, k. k. Ministerislrsth
und General-Consulstsdirector in Paris.
Das neue Museum für Kunst und Industrie in Amiens wurde in
Folge eines im Jahre 1852 in der „Socieze des Antiquaires de Pieardie"
gefassten, und aus der Erkenntniss der Nothwendigkeit, den Sinn für Kunst
im Norden Frankreichs zu beleben und zu fördern, hervorgegangenen Be-
schlusses in's Leben gerufen.
Die in Rede stehende Privatgesellschatl beniitzte zunächst den im
Monate September 1853 erfolgten Besuch des Kaisers Napoleon in Amiens,
um Se. Majestät zu bitten, das Unternehmen durch unentgeltliche Ueber-
lsssung des dem Staate gehörigen Grundstückes unterstützen zu wollen,
snf welchem einst das von Heinrich II. im Jahre 1547 erbaute Arsenal
gestanden hatte. Der Kaiser bewilligte dieses Ansuchen , und der Platz
wurde mittelst Gesetz vom 20. April 1854 unentgeltlich der Gesellschaft
als ixnmerwährendes Eigenthunn übergeben.