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angelegt und dadurch eine gegliederte Krenzesform erzielt, über deren
Centralpunkt sich eine Kuppel mit verhältnissmässig hohem Tambour
erhebt. Rings um den Unterbau herum laufen Blendarkaden, zwischen
deren überaus zierlichen Säulchen in Wallrosszahn geschnitzte Gestalten
von Propheten und Heiligen stehen. Die Frontseiten der kleinen Vor-
bauten sind mit Reliefdarstellungen aus dem Leben Christi geschmückt.
Um den Tambour der Kuppel herum in Nischen befinden sich die sitzen-
den, ebenfalls in Wallrosszahn geschnittenen Figuren der Apostel. Das
Ganze, über und über mit Email in reichster und gesehmackvollster
Zeichnung incrustirt, macht durch die Zusammenstellung der satten
Schinelzfarbeu und den Goldglanz des Metalles den Eindruck würdiger
Pracht und eines im kleinsten Raume ausgeführten monumentalen Archi-
tekturwerkes. Seine Entstehung wird - vielleicht etwas zu frühe -- in
die Mitte des I2. Jahrhunderts versetzt; ich glaube, dass einige Üm-
stiinde für den Beginn des 13. sprechen.
Unter den übrigen zahlreichen Emailwerken, von denen die meisten
der rheinischen, ein oder zwei vielleicht auch der alten limousiner Schule
angehören, gebührt einem Tragaltärchen aus dem Ende des 12. Jahr-
hunderts der erste Platz. In einer Inschrift ist uns der Name seines
Verfertigers erhalten: "Eilbertus coloniensis me fecit." Die Figuren sind
von überaus schöner Zeichnung, das Email von grosser Leuchtkraft und
Glut der Farben, die zum grossen Theile ihre Pracht der sorgfältig ans-
geführten Politur verdanken, wie sie schon Theophilus als besonders
wichtig seinen Schülern bei der Ausführung von Emailen an's Herz legt.
Auch von der älteren, vorzugsweise in Byzanz geübten Art des
Cloisonne-Ernails auf Gold enthält der Welfenschatz in einigen Cruci-
fixen Beachtenswerthes. Das Email, das hier meistens durchsichtig oder
wenigstens durchscheinend gelassen worden ist (d. h. keinen Zusatz von
Zinnoxyd enthält), wetteifert durch sein Lustre mit den Edelsteinen,
denen es auch seinerzeit nahezu gleich werth gehalten worden ist. Es
ist schade, dass dieser schönen Technik, die durch die Zartheit der
aufgelötheten Goldfaden, welche die einzelnen Farbenfelder trennen, ein
sehr feines Dessin gestattet, sich die moderne Juwelierkunst noch nicht
bemächtigt hat.
Mit Erwähnung dieser mit Email cloisonne gezierten Werke haben
wir das Feld der eigentlichen Goldschmiedekunst betreten. Für diese
bietet der Welfenschatz eine reiche Fülle sowohl nach der technischen
als auch kunstgeschichtlichen Seite. Wir lassen davon eine kurze Ueber-
sieht des Hauptsachlichsten nach der chronologischen Ordnung der Ent-
stehungszeit hier folgen.
Der byzantinischen Kunst angehörig ist ein Reliquienkreuz von
reicher Ausführung in durchbrochener Arbeit mit Filigran, Perlen und
(Cloisonne-) Emailen geziert. Der Fuss von massivem, vergoldetem
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