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Briefcouvert-Fabrication (in der Staatsdruckerei) und einen Handelscurs
für Mädchen (in der Anstalt der Frau Kiihnel) in's Leben gerufen; der
Kreis dieser Anstalten wurde im Jahre 1868 durch einen Zeichnencurs
und eine Handschuhnähstube erweitert, der Handelscurs aber zu einer
selbstständigen und umfassenden Handels- und Gewerbeschule umge-
staltet uud diese letztere mit der Nähstube und dem Zeichnencurs in ein
eigenes Locale in ein und demselben Gebäude concentrirt. Nunmehr wird
beabsichtigt, dem ferneren Programm des Vereins noch einige besonders
praktische Curse einzufügen. Dahin gehören der Unterricht für solche
Mädchen, die als Kinderwärtexinnen in Familien eintreten wollen, sowie
stufenweise Uebungen in der Herstellung von Diplomcn und anderen
kalligraphischen Arbeiten, die vereinzelt schon jetzt in Wien von Damen
ausgeführt werden. Den für eine kaufmännische Laufbahn bestimmten
Mädchen gedenkt der Verein, wie bereits für das Französische, so auch
Gelegenheit zur Erlernung des Englischen zu bieten. Endlich will der-
selbe, das fruchtbare und weite Fach der Confection mehr in's Auge
fassend, im Schnittzeichnen und praktischen Zuschneiden Unterricht er-
theilen lassen, wozu einerseits die Zeichnenschule und andererseits die
Nahstube die nöthigen Elemente liefern, und wodurch eine zweekmässige
Verbindung beider Fachcurse hergestellt werden wird. Auch erklärte
sich der Verein bereit, die vom kaiserlichen Rath Dr. Neumann an-
geregten landwirthschaftlichen Unterrichtscurse in Verbindung mit der
Landwirthschafts-Gesellschatt in's Leben zu rufen.
Ein wie weites, wahrhaft unabsehbares Gebiet aber für die Thätig-
keit des Vereines noch oEen steht, das ergibt sich am klarsten aus einem
raschen Ueberblick über Richtung und Erfolg der in andern Ländern
auf Verstärkung der Erwerbskraft des weiblichen Geschlechtes gerichteten
Bestrebungen.
Dass in den Vereinigten Staaten von Nordamerika Frauenarbeit im
weitesten Umfange Verwendung Endet, ist bekannt. Während in den
dichter bevölkerten östlichen Staaten der Union die schweren Feldarbei-
ten längst ausschliesslicb Männern überlassen bleiben, spielen dagegen
nicht blos in der Hauswirthschaft, sondern auch in der Industrie und
den Gewerbcn Frauen und Mädchen eine grosse Rolle. Sie sind Schnei-
derinnen, Buchbinderinnen, Vergolderinnen, Setzerinnen, Polirerinnen,
Graveurinnen und liefern dem Berufe der Volksschullehrer ein stärkeres
Contingent als die Männer.
In den Ministerien von Washington ist eine nicht unbcträchtlichc
Zahl von Schreiher- und Copistenstellen mit Mädchen besetzt. Die mit
einem Capital von 700.000 Dollars von Herrn Vassar zu Poughkeepsie
im Staat New-York gestiftete Frauen-Universität wurde im Jahre 1865
von 353 Schülerinnen besucht. Zur Behandlung der Frauen- und Kinder-
krankheiten bilden sich Frauen als Aerzte aus. Im Ganzen sind sicher