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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1869 / 53)

Ieuigkeiteu der französischen Kunst-Industrie. 
Durch Vermittlung des Baron v. Schwarz-Senborn sind dem Oesterr. Museum einige 
Collectionen der modernsten französischen Kunst-Industrie zur Ausstellung zugesendet wor- 
den, welche ein grösseres Interesse auf sich zu ziehen geeignet sind, da sie einen neuen 
Weg einschlagen. Dies gilt zunächst von einer Sammlung von Spitzenvorhängen, die 
zum erstenmale Farbe mit dem weissen, durchsichtigen Stoße zu verbinden trachten. Das 
decorative Gefühl, welches dieser Neuerung zu Grunde liegt, ist ein ganz richtiges, und 
es ist nur zu verwundern, dass man erst heute darauf verfällt. Schreiber dieses hatte schon 
vor mehreren Jahren den Vorschlag dazu gemacht, allein es scheint, als ob es überall 
nöthig ist, dass erst die französische Autorität das Wagniss bei dem Publicum garantirt. 
Einige derartige Versuche, die wir einmal bei Philipp Hass und Söhne sahen, 
scheinen ohne Anklang geblieben zu sein. Helfen wir, dass der französische Vorgang das, 
was an sich richtig und geschmackvoll ist, nun auch zur Mode macht, denn jene Eigen- 
schaften allein genügen bekanntlich nicht. 
Die weissen Spitzenvorhünge, wenn sie nicht mit farbigen Stoßen verbünden wer- 
den, haben den Nachtheil, dass sie als grosse weisse Flächen sich nicht in die colori- 
stische Decoration des Zimmers einfügen. Sie bilden eine Lücke in derselben, die zur 
Ausfüllung nach Farbe verlangt. Wiederum wollen unsere nur zu häufig dunklen Zimmer 
die schweren undurchsichtigen WollstoEe oder ihren Ersatz nicht immer leiden, weil sie 
das wenige Licht gar zu sehr beschränken. In solchen Fällen kann man dem Conüict 
nur entgehen, wenn man in die Spitzenvorhänge selbst Farbe hineinbringt, doch so, dass 
man die Durchsichtigkeit derselben ganz oder zum Theil bestehen liisst. Dann bildet sich 
ein coloristischer Uebergang von der gefärbten Wand zur Lichtöifnung des Fensters. Dies 
war der Grund, der uns schon früher zum erwähnten Vorschlage veranlasste. 
Die Anwendung der Farbe ist freilich eine beschränkte, insoferne als die Farben 
hinlänglich haltbar sein müssen, um das Waschen oder Putzen der Vorhänge mit ver- 
tragen zu können, oder der farbige StoE muss so angebracht sein, dass er leicht getrennt 
und wieder verbunden werden kann. Für den ersten Fall empfiehlt sich am meisten Both, 
das sich auch am angenehmsten in der Decoration verwenden lässt. Die ausgestellten fran- 
zösischen Beispiele zeigen fast sümmtlich Roth als verzierende Farbe, und sie suchen da- 
mit ihre Aufgabe auf sehr verschiedenem Wege zu lösen. Sie lassen z. B. den durchsich- 
tigen Spitzenstoif mit senkrechten farbigen Streifen abwechseln, sei es, dass sie diese 
unterlegen oder dazwischen einschieben, und zwar benützen sie dazu Seide oder als min- 
dere Art das sogenannte Rouge. Diese abwechselnden rothen und lichten weissen Streifen 
sind stylistisch nicht ganz tadellos, aber sie erfüllen so ziemlich ihren Zweck und sind 
jedenfalls den ganz weissen Vorhängen vorzuziehen. Eine andere Art der Fas-henanwen- 
dung ist die, die Farbe in das Muster der Decoraüon, sei es durch Unterlegnng, sei es 
durch die Maschine, sei es durch Handarbeit, hineinzuziehen. Die französische Golleetion 
gewährt auch davon Beispiele, die aber für unsere Sitte nicht alle anwendbar sind. Der 
Franzose kann eine sehr reiche, g-rossartige Zeichnung, welche die ganze Flüche bedeckt, 
gebrauchen, weil er inVerhindung mit dunklen Vorhängen nur einen solchen Vorhang, 
der nach rechts oder links gezogen wird, ungefsltet vor dem Fenster hängen hat. Wir 
haben zwei Vorhänge, die wir in Falten zu den Seiten auf binden. Dadurch zerstören wir 
das Muster, und je reicher dieses ist, je mehr es noch durch Farbe herausgehoben wird, 
umsomehr bleibt die Störung des Edectes zu bedauern. Das ist ein Umstand, den die 
Imitation des französischen Vorganges für unsere Zwecke und unsere Sitte zu beachten hat. 
Siimmtliche in Rede stehende Vorhänge stammen aus der Fabrik von Meunier zu 
Tarare. 
Die zweite Collection bilden orientalische Imitationen von Parvillee, einem Künstler, 
welcher längere Zeit im Orient gelebt und gearbeitet hat. Es sind zum grössten Theile 
decorative Fayencen zur Wandbekleidung, sodann andere Decorationen auf Leinwand, in 
Stucco, bemalt und vergoldet, letztere ähnlich wie an den Decken und Gesimsen der Al- 
hambra und anderen älteren arabischen Gebäuden. Da diese unter gegenwärtigen Verhült- 
nissen bei uns nur sehr vereinzelte Anwendung haben, so interessiren uns mehr die Fay- 
encen - eine glänzende, mit grösstem Erfolge wieder zu belebende Decorationsweise, der 
von unseren Architekten und Thonwaaren-Fabrikanten noch viel zu wenig Beachtung ge- 
schenkt wird, während im Orient Aussen- und Innenwiinde sich damit bekleidet finden. 
Das_ Hauptstück unter den Fayencen Psrvillees ist eine grosse Füllungs-Decoration, orna- 
rnental, etwa in derArt eines Gebetsteppichs, aus zahlreichen Stücken zusammengesetzt. 
Es ist ein Geschenk des Fabrikanten an das Oesterr. Museum. Die Farbengebnng ist sehr 
schön und harmonisch, die künstlerischen Motive sind persisch, in deren Wiedergabe je- 
doch der Franzose sich nicht hat verbergen können. Er hat an verschiedenen Stellen den 
schönen Schwung der persischen Ornamente, den Flug der Linien durch barocke chine-
	        
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