Ieuigkeiteu der französischen Kunst-Industrie.
Durch Vermittlung des Baron v. Schwarz-Senborn sind dem Oesterr. Museum einige
Collectionen der modernsten französischen Kunst-Industrie zur Ausstellung zugesendet wor-
den, welche ein grösseres Interesse auf sich zu ziehen geeignet sind, da sie einen neuen
Weg einschlagen. Dies gilt zunächst von einer Sammlung von Spitzenvorhängen, die
zum erstenmale Farbe mit dem weissen, durchsichtigen Stoße zu verbinden trachten. Das
decorative Gefühl, welches dieser Neuerung zu Grunde liegt, ist ein ganz richtiges, und
es ist nur zu verwundern, dass man erst heute darauf verfällt. Schreiber dieses hatte schon
vor mehreren Jahren den Vorschlag dazu gemacht, allein es scheint, als ob es überall
nöthig ist, dass erst die französische Autorität das Wagniss bei dem Publicum garantirt.
Einige derartige Versuche, die wir einmal bei Philipp Hass und Söhne sahen,
scheinen ohne Anklang geblieben zu sein. Helfen wir, dass der französische Vorgang das,
was an sich richtig und geschmackvoll ist, nun auch zur Mode macht, denn jene Eigen-
schaften allein genügen bekanntlich nicht.
Die weissen Spitzenvorhünge, wenn sie nicht mit farbigen Stoßen verbünden wer-
den, haben den Nachtheil, dass sie als grosse weisse Flächen sich nicht in die colori-
stische Decoration des Zimmers einfügen. Sie bilden eine Lücke in derselben, die zur
Ausfüllung nach Farbe verlangt. Wiederum wollen unsere nur zu häufig dunklen Zimmer
die schweren undurchsichtigen WollstoEe oder ihren Ersatz nicht immer leiden, weil sie
das wenige Licht gar zu sehr beschränken. In solchen Fällen kann man dem Conüict
nur entgehen, wenn man in die Spitzenvorhänge selbst Farbe hineinbringt, doch so, dass
man die Durchsichtigkeit derselben ganz oder zum Theil bestehen liisst. Dann bildet sich
ein coloristischer Uebergang von der gefärbten Wand zur Lichtöifnung des Fensters. Dies
war der Grund, der uns schon früher zum erwähnten Vorschlage veranlasste.
Die Anwendung der Farbe ist freilich eine beschränkte, insoferne als die Farben
hinlänglich haltbar sein müssen, um das Waschen oder Putzen der Vorhänge mit ver-
tragen zu können, oder der farbige StoE muss so angebracht sein, dass er leicht getrennt
und wieder verbunden werden kann. Für den ersten Fall empfiehlt sich am meisten Both,
das sich auch am angenehmsten in der Decoration verwenden lässt. Die ausgestellten fran-
zösischen Beispiele zeigen fast sümmtlich Roth als verzierende Farbe, und sie suchen da-
mit ihre Aufgabe auf sehr verschiedenem Wege zu lösen. Sie lassen z. B. den durchsich-
tigen Spitzenstoif mit senkrechten farbigen Streifen abwechseln, sei es, dass sie diese
unterlegen oder dazwischen einschieben, und zwar benützen sie dazu Seide oder als min-
dere Art das sogenannte Rouge. Diese abwechselnden rothen und lichten weissen Streifen
sind stylistisch nicht ganz tadellos, aber sie erfüllen so ziemlich ihren Zweck und sind
jedenfalls den ganz weissen Vorhängen vorzuziehen. Eine andere Art der Fas-henanwen-
dung ist die, die Farbe in das Muster der Decoraüon, sei es durch Unterlegnng, sei es
durch die Maschine, sei es durch Handarbeit, hineinzuziehen. Die französische Golleetion
gewährt auch davon Beispiele, die aber für unsere Sitte nicht alle anwendbar sind. Der
Franzose kann eine sehr reiche, g-rossartige Zeichnung, welche die ganze Flüche bedeckt,
gebrauchen, weil er inVerhindung mit dunklen Vorhängen nur einen solchen Vorhang,
der nach rechts oder links gezogen wird, ungefsltet vor dem Fenster hängen hat. Wir
haben zwei Vorhänge, die wir in Falten zu den Seiten auf binden. Dadurch zerstören wir
das Muster, und je reicher dieses ist, je mehr es noch durch Farbe herausgehoben wird,
umsomehr bleibt die Störung des Edectes zu bedauern. Das ist ein Umstand, den die
Imitation des französischen Vorganges für unsere Zwecke und unsere Sitte zu beachten hat.
Siimmtliche in Rede stehende Vorhänge stammen aus der Fabrik von Meunier zu
Tarare.
Die zweite Collection bilden orientalische Imitationen von Parvillee, einem Künstler,
welcher längere Zeit im Orient gelebt und gearbeitet hat. Es sind zum grössten Theile
decorative Fayencen zur Wandbekleidung, sodann andere Decorationen auf Leinwand, in
Stucco, bemalt und vergoldet, letztere ähnlich wie an den Decken und Gesimsen der Al-
hambra und anderen älteren arabischen Gebäuden. Da diese unter gegenwärtigen Verhült-
nissen bei uns nur sehr vereinzelte Anwendung haben, so interessiren uns mehr die Fay-
encen - eine glänzende, mit grösstem Erfolge wieder zu belebende Decorationsweise, der
von unseren Architekten und Thonwaaren-Fabrikanten noch viel zu wenig Beachtung ge-
schenkt wird, während im Orient Aussen- und Innenwiinde sich damit bekleidet finden.
Das_ Hauptstück unter den Fayencen Psrvillees ist eine grosse Füllungs-Decoration, orna-
rnental, etwa in derArt eines Gebetsteppichs, aus zahlreichen Stücken zusammengesetzt.
Es ist ein Geschenk des Fabrikanten an das Oesterr. Museum. Die Farbengebnng ist sehr
schön und harmonisch, die künstlerischen Motive sind persisch, in deren Wiedergabe je-
doch der Franzose sich nicht hat verbergen können. Er hat an verschiedenen Stellen den
schönen Schwung der persischen Ornamente, den Flug der Linien durch barocke chine-